SchattenüberKitz-Spektakel
Die Stürze von Streitberger, Reichelt und Svindal (Foto) werfen Sicherheitsfragen auf. Für den Weltcupführenden ist die Saison nach einem Bänderriss beendet.
Mythos Streif. Wenn es Teil der Mythenbildung ist, dass diese Abfahrt die schwerste der Welt ist, dann wurden bei der 76. Auflage gleich drei weitere Kapitel geschrieben – und die Besten der Welt als Opfer ausgesucht. Der Hausberg als Schicksalsberg sozusagen. Vor allem für Aksel Lund Svindal. Der Norweger, viermaliger Abfahrtssieger in dieser Saison, Dominator, Weltcupführender, war auf der Jagd nach seinem ersten Abfahrtssieg auf der Streif – eine Jagd, die nach der Hausbergkante
Der ORF legte in einer Analyse die Bilder der Stürze von Streitberger, Reichelt und Svindal übereinander
brutal beendet wurde. Svindal fing es den Ski, nach einem eineinhalbfachen Salto krachte er mit 120 km/h ins Fangnetz. Genau dort, wo zuvor schon Hannes Reichelt und Georg Streitberger eingeschlagen hatten. Und obwohl Svindal zunächst aufstand, erwiesen sich die Folgen als dramatisch: In Innsbruck wurden ein Kreuzband- und ein Meniskusriss festgestellt, noch in der Nacht auf heute wollte Christian Hoser operieren. Die Saison ist also für Svindal vorbei – der scheinbar unaufhaltsame Marsch in Richtung Gesamtweltcup wurde jäh gestoppt. Svindal wäre aber nicht Svindal, ließe er nicht ausrichten: „Das ist der Sport. Ich bin mit meiner Saison trotzdem sehr zufrieden. Aber das kann passieren.“
Über der Grenze?
Passiert ist wahrlich viel in diesen Tagen. Denn auch Streitberger (exakt dieselbe Verletzung wie Svindal) verstärkt die österreichische Riege im Klinikum Hochrum, nur Reichelt, der ähnlich wie Svindal stürzte, durfte wenigstens nach Hause fahren. Ob die Knochenprellung im linken Knie aber nicht auch eine längere Pause braucht, muss sich erst weisen. Damit sind es schon acht (!) österreichische Abfahrer, die diese Saison ausfallen.
Irgendwie machte sich im Zielraum der Streif Unbehagen breit. Die Show, die die Fahrer bieten, wurde diesmal zum Kampf – bei schlechter Sicht war der schmale Grat, den man hier beschreitet, für manche zu schmal. ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel war aufgebracht, forderte telefonisch sogar den Abbruch des Rennens. „Die Show ist eine Sache“, sagte er, „der Sport eine andere. Die Sicherheit der Läufer muss vorgehen.“Die allerdings betrachteten die Sache durchaus als fahrbar, wie sie nach dem Rennen meinten. Das sagte etwa auch Norwegens Cheftrainer Christian Mitter: „Es war fahrbar“, erklärte der Steirer und als noch nicht klar war, wie ernst die Verletzung von Svindal wirklich war, meinte er trocken: „Wenn man mit 120 in ein Netz fliegt, ist das nie gut für den Weltcup.“
Ratlosigkeit
Am schlimmsten aber erwischt es in diesem Jahr das ÖSV-Team. „Mir schlägt das wirklich auf den Magen“, meinte ÖSV-Sportdirektor Hans Pum, „hier sieht man, was die Burschen riskieren. Aber man kann ihnen nicht helfen. Wenn sie aus dem Starthaus fahren, sind sie auf sich gestellt.“Fast ratlos wirkte auch Cheftrainer Andreas Puelacher. „Das Problem ist, dass es keine erkennbare Struktur in allen Stürzen, Verletzungen und Unfällen gibt. Es gibt keine singuläre Erklärung, so viel wir auch analysieren.“
Was bleibt: die Gewissheit, dass Skifahren gefährlich ist. Erst recht und gerade auf der schwersten Abfahrt der Welt, der Streif in Kitzbühel.