Eine Stadt unter Schock
Nizza am Tag nach dem Anschlag. Ermutigendes ist rar. Wer in der gelähmten Metropole Trost erfährt, greift ihn dankbar auf.
Ein Mann irrt am Strand umher. Er sucht seine Frau. Er hat im Lauf der Schreckensnacht sämtliche Krankenhäuser der Stadt aufgesucht, sich ein ums andere Mal zur Notaufnahme durchgefragt, ohne eine Spur der Vermissten zu finden. Die Leichen der Opfer sind noch nicht geborgen. Zu Dutzenden liegen sie hinter Absperrbändern und Sichtschutzplanen. Die Spurensicherung hat ihre Arbeit auf der Uferpromenade von Nizza noch nicht beendet. Gerichtsmediziner entnehmen DNA-Proben.
Der Wind, der dort schon am Donnerstag an den Palmen ge- zerrt hatte, hat sich nicht gelegt. Hätte er am Vorabend heftiger geblasen, wäre das alles womöglich nicht passiert. Dann wäre das Feuerwerk abgesagt worden so wie im benachbarten Département Var, wo Frankreichs Nationalfeiertag in mehreren Gemeinden ohne Lichterzauber zu Ende ging. Dann wären jetzt nicht 84 Tote und Dutzende Schwerverletzte zu beklagen. Dann wären im Laufe der Nacht nicht 50 Kinder ins Krankenhaus eingeliefert worden, von denen am Freitag zwei ihren Verletzungen erlagen.
So aber ist es passiert. Augenzeugenberichte fügen sich zu ei- nem immer deutlicheren Bild des Schreckens. Kurz vor 23 Uhr ist es, als über der die Bucht von Nizza säumenden Promenade des Anglais die letzten Feuerwerkslichter am Nachthimmel erlöschen. Die Stimmung ist gelöst. Am Vormittag hatte Staatsoberhaupt François Hollande das Ende des Ausnahmezustands angekündigt, der nach den Pariser Attentaten vom 13. November des Vorjahres verhängt worden war.
Die Entscheidung kam nicht überraschend. Die Sorge, Terroristen könnten die Fußball-EM in Blut ertränken, hatte sich als unbegründet erwiesen. Und
„Tragisches
Paradox, dass jene Menschen zum Ziel wurden, die Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit
feierten.“
Donald Tusk, EU-Ratspräsident, auf der Internetplattform Twitter