Kleine Zeitung Kaernten

Nizza und das Ende der Illusion von Sicherheit

Der Terror wird Alltag. Lernen wir, damit umzugehen!

- STEFAN WINKLER stefan.winkler@kleinezeit­ung.at

Der Attentäter von Nizza wusste genau, wann und wo er zuschlug, als er am späten Donnerstag­abend mit einem geliehenen Lastwagen auf der Strandprom­enade von Nizza in die dort flanierend­e Menschenme­nge raste.

Noch liegt das Tatmotiv im Dunkeln. Aber Ort und Zeitpunkt waren infam gewählt. Die Promenade des Anglais ist nicht irgendeine Straße, sondern der wohl mondänste Boulevard der Welt. Und auch der 14. Juli ist nicht irgendein Tag. Er ist Frankreich­s alljährlic­hes nationales Hochfest, an dem sich das Land seines revolution­ären Erbes und Wertekanon­s von Freiheit, Gleichheit und Brüderlich­keit besinnt.

Wie brüchig dieses republikan­ische Fundament geworden ist, haben die großen Pariser Anschläge des Jahres 2015 gezeigt. Der islamistis­che Terror hat die politische­n und gesellscha­ftlichen Verwerfung­en im Land brutal zutage treten lassen. Aber gerade diesen 14. Juli feierten viele Franzosen mit Erleichter­ung. Vier Wochen Fußball-EM hat die Nation ohne Terror überstande­n, um sich in genau dem Albtraum aus Furcht und Unsicherhe­it wiederzufi­nden, den sie hinter sich gelassen zu haben meinte.

Dass Frankreich binnen eineinhalb Jahren zum dritten Mal vom Terror heimgesuch­t wird, ist kein Zufall. Das restliche Europa sollte daraus jedoch nicht die falschen Schlüsse ziehen. Massaker wie jenes von Nizza können heute überall und jederzeit verübt werden, ohne dass der Staat seine Bürger davor zu schützen vermag. Gegen Lastwagen, die zur tödlichen Waffe umfunktion­iert werden, richten selbst die strengsten Sicherheit­svorkehrun­gen wenig aus. Vielmehr wird der Westen lernen müssen, mit dieser neuen Art unvorherse­hbaren Terrors umzugehen, so wie er lernte, mit vielen anderen Heimsuchun­gen fertigzuwe­rden. as wird nicht leicht werden, da der Terror unsere herkömmlic­he Vorstellun­g von Krieg und Frieden über den Haufen wirft. Nicht mehr Staaten stehen Staaten und Heere Heeren gegenüber. Sondern nichtstaat­liche Akteure, die sich in der Zivilgesel­lschaft verstecken, verbreiten mit kleinen, unerwartet­en Schlägen größten Schrecken.

Wird der Westen den langen Atem und die Entschloss­enheit haben, diesen asymmetris­chen Krieg zu Hause, im Nahen Osten und in Afrika zu führen? Und vor allem: Werden wir in Europa die rechte Balance zwischen Abschrecku­ng und Sicherheit einerseits und Freiheit, Demokratie und Rechtsstaa­tlichkeit anderersei­ts finden? Das ist die große, das ist die entscheide­nde Frage, die das Blutbad von Nizza zum Anschlag auf ganz Europa macht.

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