Nizza und das Ende der Illusion von Sicherheit
Der Terror wird Alltag. Lernen wir, damit umzugehen!
Der Attentäter von Nizza wusste genau, wann und wo er zuschlug, als er am späten Donnerstagabend mit einem geliehenen Lastwagen auf der Strandpromenade von Nizza in die dort flanierende Menschenmenge raste.
Noch liegt das Tatmotiv im Dunkeln. Aber Ort und Zeitpunkt waren infam gewählt. Die Promenade des Anglais ist nicht irgendeine Straße, sondern der wohl mondänste Boulevard der Welt. Und auch der 14. Juli ist nicht irgendein Tag. Er ist Frankreichs alljährliches nationales Hochfest, an dem sich das Land seines revolutionären Erbes und Wertekanons von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit besinnt.
Wie brüchig dieses republikanische Fundament geworden ist, haben die großen Pariser Anschläge des Jahres 2015 gezeigt. Der islamistische Terror hat die politischen und gesellschaftlichen Verwerfungen im Land brutal zutage treten lassen. Aber gerade diesen 14. Juli feierten viele Franzosen mit Erleichterung. Vier Wochen Fußball-EM hat die Nation ohne Terror überstanden, um sich in genau dem Albtraum aus Furcht und Unsicherheit wiederzufinden, den sie hinter sich gelassen zu haben meinte.
Dass Frankreich binnen eineinhalb Jahren zum dritten Mal vom Terror heimgesucht wird, ist kein Zufall. Das restliche Europa sollte daraus jedoch nicht die falschen Schlüsse ziehen. Massaker wie jenes von Nizza können heute überall und jederzeit verübt werden, ohne dass der Staat seine Bürger davor zu schützen vermag. Gegen Lastwagen, die zur tödlichen Waffe umfunktioniert werden, richten selbst die strengsten Sicherheitsvorkehrungen wenig aus. Vielmehr wird der Westen lernen müssen, mit dieser neuen Art unvorhersehbaren Terrors umzugehen, so wie er lernte, mit vielen anderen Heimsuchungen fertigzuwerden. as wird nicht leicht werden, da der Terror unsere herkömmliche Vorstellung von Krieg und Frieden über den Haufen wirft. Nicht mehr Staaten stehen Staaten und Heere Heeren gegenüber. Sondern nichtstaatliche Akteure, die sich in der Zivilgesellschaft verstecken, verbreiten mit kleinen, unerwarteten Schlägen größten Schrecken.
Wird der Westen den langen Atem und die Entschlossenheit haben, diesen asymmetrischen Krieg zu Hause, im Nahen Osten und in Afrika zu führen? Und vor allem: Werden wir in Europa die rechte Balance zwischen Abschreckung und Sicherheit einerseits und Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit andererseits finden? Das ist die große, das ist die entscheidende Frage, die das Blutbad von Nizza zum Anschlag auf ganz Europa macht.
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