Ins Chaos
Terroristen und die Jihadisten des „Islamischen Staats“(IS) überzogen die Türkei mit einer Welle von Anschlägen, die in den vergangenen zwölf Monaten über 300 Tote forderte. Zugleich geriet das Land immer tiefer in den Treibsand der Bürgerkriege in Syrien und im Irak. Außenpolitisch ging Erdog˘an überdies auf Konfrontationskurs zum Westen: Der Streit um die Armenier-Resolution des Deutschen Bundestages belastet inzwischen auch die Beziehungen der Türkei zur Nato.
Erbitterter Machtkampf
Auch Erdog˘ans Bestrebungen zur Islamisierung des Landes und seine Pläne zur Einführung eines Präsidialsystems, das ihm noch mehr Macht verschaffen soll, sorgen für Spannungen – vor allem mit den Generälen, die sich traditionell als Wächter über die säkulare Verfassung verstehen. Erdog˘an gegen das Militär. Die Generäle gegen Erdog˘an: Diese Konfrontation bestimmte die türkische Innenpolitik über lange Zeit. Mitte der 2000er-Jahre schien der islamisch-konservative Politiker die Überhand gewonnen zu haben: Die Generäle galten als entmachtet, der früher von den Militärs dominierte Nationale Sicherheitsrat, noch in den 1990er-Jahren die eigentliche Regierung des Landes, hatte nur noch beratende Funktion.
Nach fast fünf Jahren Verhandlungsdauer schickte ein türkisches Gericht im August 2013 schließlich Hunderte angebliche Mitglieder des Geheimbundes Ergenekon, darunter viele Generäle, hinter Gitter. Ihnen wurde vorgeworfen, auf einen gewaltsamen Sturz der Regierung des damaligen Ministerpräsidenten Erdog˘an hingearbeitet zu haben.
Es wäre der vierte Putsch seit 1960. Zuletzt erzwang das Militär 1997 den Rücktritt des damaligen Premierministers Necmettin Erbakan, des politischen Ziehvaters von Staatschef Erdog˘an.