Militärputsch in der Türkei
Die türkische Armee hat in den Abendstunden die Machtübernahme verkündet. In den Straßen fahren Panzer auf, das Kriegsrecht wurde verhängt.
Schüsse in Ankara, Militärhubschrauber und F-16Kampfbomber im Tiefflug über der Hauptstadt und über Istanbul. Noch am Freitag schien der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdog˘an allmächtig. Jetzt muss er um seine Macht fürchten: Denn die Armee revoltiert.
Am späten Freitagabend sahen die türkischen Fernsehzuschauer im Staatskanal TRT nur noch den Wetterbericht, ehe der Sender ganz abgedreht wurde. Zuvor hatten Soldaten die Zentrale des Senders besetzt. Ein TV-Sprecher erklärte den Zuschauern, das Kriegsrecht sei verhängt worden. Das Land werde nun von einem „Friedensrat“geführt.
Präsident Erdog˘an sei in
Sicherheit, meldete indes CNN Türk. Erdog˘an selbst erklärte kreidebleich dem Sender per Mobiltelefon, eine „Minderheit der Armee“habe versucht, zu putschen. Der Aufstand werde in Kürze niedergeschlagen. Erdog˘an rief die Bevölkerung auf, ihre Häuser zu verlassen und sich auf öffentlichen Plätzen zu versammeln und Widerstand zu leisten. Er sei auf dem Weg nach Ankara.
Aber die Lage war äußerst verworren. Soldaten seien auch in die Zentrale der Regierungspartei AKP in Ankara eingedrungen, hieß es. Der Atatürk-Flughafen in Istanbul sei für alle Landungen gesperrt worden, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters. In der türkischen Hauptstadt Ankara seien Schüsse zu hören gewesen, berichteten Reporter. Krankenwagen fuhren vor dem Hauptquartier der Streitkräfte in Ankara auf. Medien berichteten von einer Explosion im Stadtteil Gölba¸sı. In Istanbul habe die paramilitärische Gendarmerie die Brücken über den Bosporus gesperrt, berichtete die Zeitung „Hürriyet“. Im Armeehauptquartier in Ankara seien Geiseln genommen worden, hieß es.
Aber im allgemeinen Chaos war auf solche Meldungen wenig Verlass. Erdog˘an, der seit 2014 als Staatschef amtiert, hatte in den vergangenen Jahren das Militär weitgehend entmachtet – so schien es jedenfalls bis zu diesem Freitagabend. Nun waren die Machtverhältnisse zunächst völlig unklar. Die Regierung erklärte, sie sei weiterhin Herr der Lage. „Es ist kein Coup, es ist lediglich eine Revolte“, versuchte Ministerpräsident Binali Yıldırım, in einem Telefonat mit dem Nachrichtensender NTV abzuwiegeln. „Eine Gruppe innerhalb des Militärs“habe einen „illegalen Akt“versucht, sagte Yıldırım. Die Verantwortlichen würden „auf das Schärfste bestraft“. Der Premier bekräftigte: „Unsere Sicherheitskräfte werden Gewalt gegen Gewalt einsetzen.“
Im Außenministerium in Wien liefen die Telefone in der Nacht heiß. Österreicher in der Türkei wurden aufgerufen, „an einem sicheren Ort zu bleiben“. Die Lage sei sehr unübersichtlich.
Welle von Anschlägen
Die Sicherheitslage in der Türkei, die außenpolitischen und die inneren Spannungen hatten sich in den vergangenen Jahren immer weiter verschärft. Kurdische