Geretteten Regimes
lich sagen: Dass die Putschisten eine „kleine Minderheit“im Militär seien, deren Ziel es sei, den Präsidenten zu stürzen. Anhänger der Bewegung des in den USA lebenden Islampredigers Fethullah Gülen, den Erdog˘an als Erzfeind betrachtet.
„Gülen wollte bei uns ein Regime wie Khomeini im Iran errichten“, sagt Uysal und fügt hinzu, es wäre richtig, die Putschisten hinzurichten, wie es ein Sprecher der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP fordert, obwohl die Todesstrafe in der Türkei seit 2004 wegen des angestrebten EU-Beitritts abgeschafft wurde.
3000 Militärs festgenommen
Am frühen Nachmittag ist Istanbul ruhig, der Verkehr rollt wieder über die in der Nacht gesperrten Bosporus-Brücken, aber aus Ankara werden noch immer Kämpfe gemeldet. Dort sollen zwei Einheiten des Heeres und der Luftwaffe noch Widerstand leisten. Noch immer überschlagen sich die Meldungen: Agenturen melden 265 Tote und mehr als 1400 Verletzte, fast 3000 Militärangehörige sollen festgenommen worden sein, auch in Regionen, in denen es gar keine Kämpfe gab.
Der festgesetzte Leiter des Generalstabs, Hulusi Akar, kann unter zunächst ungenannten Umständen befreit werden. Sieben türkische Soldaten und ein Zivilist setzen sich mit einem Militärhubschrauber nach Griechenland ab und beantragen politisches Asyl. Die Türkei verlangt die sofortige Auslieferung dieser „Verräter“. Der mutmaßliche Anführer der Putschisten, Oberst Muharrem Köse, heißt es jetzt, soll im März wegen seiner engen Verbindungen zu Gülen entlassen worden sein.
Die Regierung nutzt den Putschversuch umgehend für eine massive Säuberung des Justizapparats von Gegnern, für die sie offenbar zuvor schwarze Listen angelegt hat. Gegen Mittag erklärt ein Sprecher, dass 2745 Richter sofort suspendiert werden; später werden zehn Mitglieder des Staatsrates verhaftet, des höchsten Verwaltungsgerichts des Landes.
Ministerpräsident Binali Yildirim tritt vor die Fernsehkameras und erklärt, dass die Nation den Putschisten „die richtige Antwort“ gegeben habe. Er bedankt sich bei „allen Bürgern, die sich den Panzern entgegenstellten“. Erdog˘an fordert von Obama außerdem die Auslieferung oder Festnahme Fethullah Gülens.
Am Morgen nach dem Putschversuch fragen sich Politiker und Bürger der Türkei, was der dilettantische Putsch zu bedeuten hat. Deniz Baykal, Ex-Chef der sozialdemokratischen Oppositionspartei CHP, twitterte, dass die regierende AKP selbst in den Putsch verwickelt sein könne oder ihn jedenfalls für sich ausgenutzt habe. Er schrieb: „In mehr als 40 Jahren meines politischen Lebens habe ich Putsche und Folter erlebt. Aber solch ein tragikomisches Putschszenario gab es noch nie.“
Der für die US-amerikanische Johns-Hopkins-Universität tätige Istanbuler Türkei-Experte Gareth Jenkins sagte der Kleinen Zeitung, Erdog˘an nutze jetzt die Lage für seinen autoritären Kurs aus. „Beweise gegen 2700 Richter zaubert man nicht einfach aus dem Hut“, sagt er, „es gab offenbar schwarze Listen von missliebigen Personen, die man jetzt abarbeitet. Ein verheerendes Signal für die türkische Demokratie.“