„Dieser Putsch ist durch nichts zu rechtfertigen“
„Jetzt sind alle Kräfte in der Türkei gefordert, besonnen zu agieren“, sagt Außenminister Kurz.
Wie schätzen Sie die aktuelle Entwicklung in der Türkei ein? Bis hin zum Bürgerkrieg scheint derzeit alles möglich zu sein.
Laut der türkischen Regierung wurde der Putsch vereitelt. Wie wir aus Informationen unserer Botschaft wissen, kommt es immer noch zu Gefechten in Ankara und Istanbul. Wir raten allen Österreichern, die sich derzeit in der Türkei aufhalten, ihre Unterkünfte einstweilen nicht zu verlassen und die aktuelle Entwicklung genau zu verfolgen. Ein Team des Außenministeriums ist unterwegs in die Türkei. Kam der Putsch überraschend?
Aufgrund des teilweise sehr autoritären Führungsstils von Präsident Erdog˘an gab es immer wieder Widerstände außerhalb und innerhalb der Türkei. Aber mit einem so organisierten Militärputschversuch war nicht zu rechnen. Ein Putsch, bei dem es zu Todesopfern kommt, ist definitiv nicht zu rechtfertigen.
Wird Erdo˘gan die Ereignisse nun als Freibrief nutzen, das politische System zu seinen Gunsten umzubauen?
Es wäre aus meiner Sicht absolut falsch, sie als Anlass zu sehen, um willkürlich zu handeln. Alle Seiten, auch die Opposition der Türkei, haben den Putschversuch verurteilt. Jetzt sind alle Kräfte in der Türkei gefordert, besonnen zu agieren, Menschenleben zu schützen sowie den Rechtsstaat und die Demokratie zu achten.
Die EU setzt in der Flüchtlingskrise stark auf die Türkei als stabilen Partner – doch von Stabilität kann derzeit keine Rede sein.
SEBASTIAN KURZ:
KURZ:
KURZ:
Wir brauchen gerade in der Türkei eine Regierung des Rechts. Die EU-Außenminister werden am Montag zusammentreten und die nächsten Schritte beraten. Nicht nur die Geschehnisse in der Türkei, auch die Radikalisierung, der Terror wie zuletzt in Nizza und zuvor schon die Ukraine-Krise haben uns in Europa schockiert und eine Zäsur eingeleitet. Wir waren es gewohnt, in so etwas wie „absoluter Sicherheit“zu leben. Jetzt sehen wir ein Mehr an Instabilität. All das kann für uns aber nur Auftrag sein, unser DemokratieVerständnis und unseren Lebensstil umso entschlossener zu verteidigen. Ich bin überzeugt davon, dass wir gemeinsam stärker sein werden als die aktuellen bedrohlichen Entwicklungen.
Für die Einführung der VisaFreiheit fordert Europa von der Türkei die Änderung der AntiTerror-Gesetze. Wie wahrscheinlich ist es jetzt noch, dass Erdo˘gan just in dieser Krise bereit ist, diesen Schritt zu tun?
Der Kampf gegen den Terror ist notwendig und zu 100 Prozent zu unterstützen. Genauso wichtig ist es aber, Freiheit, Menschenrechte und Medienvielfalt zu schützen.
Zuletzt hatte man im Zusammenhang mit dem Flüchtlingspakt den Eindruck, dass Europa selten strenge Worte für den autoritären Kurs Erdo˘gans fand. Wird man ihm jetzt genauer auf die Finger schauen?
Wir müssen klar reagieren, wenn Demokratie, Menschenrechte oder der Rechtsstaat in Gefahr sind. Wegschauen kann nie von Vorteil für Europa sein.
KURZ:
KURZ:
KURZ: