Der Mensch sei dem Menschen ein Mensch
Kluge Köpfe auf Schloss Bach im Gespräch über Solidarität und Verantwortung.
Auch die 10. Auflage der Carinthischen Dialoge in Schloss Bach bei St. Urban erlebt regen Zuspruch. Die Gastgeber Johanna und Chlodwig Franz konnten wieder viele Interessierte begrüßen, die für drei Tage das Thema „Solidarität und Verantwortung – Voraussetzung für das zukünftige globale Leben“erörtern.
Den Einführungsvortrag als Themenaufriss begann Peter Kampits mit der Frage: „Haben wir Teilen verlernt?“Das Handeln des heiligen Martin, der mit dem Bettler seinen Mantel teilt, konfrontierte er mit der Pose des Erfolgreichen von heute, der von sich sagt: „Ich habe nichts zu verschenken!“Der Philosoph zeichnete dazu ein pessimistisches Bild von den konkreten Formen von Solidarität in der Gegenwart. Denn es gilt, Gerechtigkeit und Freiheit in ein praktikables Verhältnis zu setzen. Kampits verurteilte die Verweigerung des Teilens. Es sei „ein Verrat an sich selbst, am eigenen Menschsein“.
Skeptische Perspektiven, die wohl in der Kenntnis der Natur des Menschen begründet sind, entwickelten auch die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle und die Politikberaterin Karin Kneissl. Die Frage, ob die Politik Solidarität erzeugen könne, beantwortete die Politologin mit größter Zurückhaltung und Kritik an der verbreiteten Ansicht, dass Politik den Willen von Mehrheiten durchsetzen müsse. Vielmehr sei es Aufgabe der Politik, Notwendiges mehrheitsfähig zu machen.
Die These, dass der Erste Weltkrieg noch nicht zu Ende
ST. URBAN.
sei, war Ausgangspunkt für eine facettenreiche Analyse des „nahöstlichen Dilemmas“durch die Nahostexpertin Kneissl. Sie zeigte die Vielschichtigkeit, die das Verhältnis des Westens zur krisengeschüttelten islamischen Welt kennzeichnet, und führte die Verantwortung von Europa, das den „Scherbenhaufen Naher Osten mitverschuldet“hat, vor Augen.
Fragen nach „Umweltgerechtigkeit“widmete sich die Umwelthistorikerin Verena Winiwarter mit interdisziplinären Ansätzen. Aus der Wirtschaft kamen Überlegungen zur Solidarität von Helmut Sihler und Max Burger-Scheidlin.
Das mehrfach zitierte Diktum, dass der Mensch dem Menschen ein Wolf sei, bürstete der Psychotherapeut und Theologe Arnold Metnitzer gegen den Strich und entwarf aus biblischer Sicht das Bild, wonach „der Mensch dem Menschen ein Mensch“sei.
Die Diskussion geht weiter und findet heute Vormittag mit einer großen Schlussrunde ihren Abschluss.