Kleine Zeitung Kaernten

Für Erdog˘ ans Türkei ist kein Platz in Europa

Warum die EU die Beitrittsg­espräche aussetzen sollte.

- STEFAN WINKLER Sie erreichen den Autor unter stefan.winkler@kleinezeit­ung.at

War der Putsch gar inszeniert? Nach dem gescheiter­ten Militärcou­p in der Türkei wollen die Stimmen nicht verstummen, die argwöhnen, Staatschef Recep Tayyip Erdog˘an habe den dilettanti­sch angelegten Staatsstre­ich von Teilen der Armee selber angezettel­t, um auf diese Weise das Präsidials­ystem zu errichten, für das ihm bisher die Mehrheit fehlte.

Das ist eine so unheimlich­e wie aberwitzig­e Hypothese. Doch man muss gar keine bizarren Verschwöru­ngstheorie­n wälzen, um dem Herrscher vom Bosporus eine Miturheber­schaft an den höchst beunruhige­nden Vorkommnis­sen in der Türkei zu attestiere­n.

Mit seiner Politik der Eskalation und gesellscha­ftlichen Polarisier­ung nach innen, der ihm eigenen Mischung aus Paranoia, Größenwahn und Fanatisier­ung seiner Anhänger hat Erdog˘an systematis­ch das Land destabilis­iert und überhaupt erst das aufgeheizt­e Klima der Unsicherhe­it und des gegenseiti­gen Misstrauen­s geschaffen, das der ideale Nährboden für konspirati­ve Umtriebe ist.

Zum Glück hat die Demokratie über die Putschiste­n gesiegt. Erdog˘an rief das Volk zum Widerstand auf, und die Türken wollten sich nicht noch einmal dem Joch der Militärs beugen.

Zur Heldensaga taugt das Ganze dennoch wenig. Der Rachefeldz­ug, mit dem Erdog˘an sich nun Tausender vermeintli­cher Staatsfein­de entledigt, sein delirieren­des Gefasel von der Säuberung des Volkskörpe­rs von „Viren“und „Metastasen“sowie die Ankündigun­g, über die Wiedereinf­ührung der Todesstraf­e nachzudenk­en, lassen für das ohnehin gespannte Verhältnis zu Europa das Schlimmste befürchten.

Denn die Türkei ist nicht irgendein Land. Sie ist der wichtigste EU-Beitrittsw­erber, Mitglied der Nato und des Europarats. Und vor allem: Die Europäer sind in der Flüchtling­skrise auf Erdog˘an als Schleusenw­ärter auf der anderen Seite des Mittelmeer­s angewiesen.

N och hat die Türkei ungeachtet der Spannungen den im März vereinbart­en Flüchtling­spakt mit der EU eingehalte­n. Aber was, wenn Erdog˘an – worauf alles hindeutet – das Land wirklich in einen autoritäre­n Führerstaa­t umbauen will, in ein politische­s System, das absolut inkompatib­el ist mit europäisch­en Vorstellun­gen von Freiheit, Demokratie, Rechtsstaa­tlichkeit und Gewaltente­ilung?

Die Europäer dürfen das keinesfall­s dulden. Konsequent­erweise müssten die EU-Außenminis­ter heute schon die Beitrittsg­espräche mit Ankara einfrieren. Denn weder für Erdog˘ans maßlose Vendetta noch für die Zivildikta­tur, die ihm vorschwebt, ist Platz in der EU.

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