Kampf um Merkels politische Heimat
Im deutschen Nordosten wird am Sonntag gewählt. Die AfD wird dabei mit rund 20 Prozent ein Rekordergebnis erzielen. Es ist auch ein Ergebnis des Kurses der Kanzlerin.
In Mecklenburg-Vorpommern hat man gerade wenig Sorgen. Das deutsche Bundesland lebt hauptsächlich vom Tourismus und der brummt in diesen Sommertagen. Die Branche bilanziert das stärkste Halbjahr aller Zeiten und die Sommersaison wirkt auch rekordverdächtig. Umso sorgenvoller schaut der Rest des Landes auf den äußersten Nordosten. Denn dort braut sich ein politisches Gewitter zusammen, das die Republik erschüttern könnte.
Am Sonntag wählt Mecklen-
burg-Vorpommern einen neuen Landtag und dabei steht die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) nach allen Umfragen vor dem Sprung über die 20-Prozent-Marke. Nimmt man die rechtsextreme NPD hinzu, die nach Umfragen ebenfalls den Sprung in den Landtag im Schweriner Schloss schaffen könnte, repräsentiert das rechte politische Außenlager ein Viertel aller Wähler. Das wäre bundesweiter Rekord.
Zudem steht die AfD in den Umfragen inzwischen fast gleichauf mit der CDU. Die regierenden Sozialdemokraten
halten sich ohne großen Abstand zu den beiden politischen Kontrahenten weiterhin knapp an der Spitze auf, haben aber zur Wahl vor vier Jahren fast zehn Prozentpunkte verloren.
Der Landtag steht vor dem Ende einer Ära. Seit 22 Jahren regiert die SPD im Schweriner Schloss. Erst als Juniorpartner der CDU in einer Großen Koalition, dann als stärkste Kraft mit der Linkspartei (damals noch PDS), dann wieder als Seniorpartner mit der CDU in einer Großen Koalition. Nun dürfte es nicht einmal für eine Große Koalition reichen und selbst ein
mit Linkspartei und Grünen dürfte knapp werden.
Die Stärke der AfD hat aber neben dem Aspekt, dass eine Regierungsbildung schwierig werden dürfte, noch eine pikante Note: Denn das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern ist die politische Heimat von Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel. Seit der Wiedervereinigung 1990 ist ihr Wahlkreis jener um die Hansestadt Stralsund. Bei allen sieben Wahlen seit der deutschen Einheit gewann Merkel souverän.
Doch Merkel ist politisch angeschlagen, ihre Flüchtlingspolitik und ihr Beharren auf dem Satz „Wir schaffen das“beschert ihr Umfragenrückschläge. Von ihrer einstigen großen Beliebtheit ist sie mittlerweile weit entfernt, auch wenn ihr parallel dazu niemand wirklich gefährlich naherückt.
Jeder Zweite gegen Merkel
In einer Umfrage von „Bild am Sonntag“lehnt jeder Zweite eine weitere Amtszeit Merkels ab. Ob sie überhaupt kandidiert, will sie erst im Lauf des Jahres sagen. So ist der Wahlkampf um das Schweriner Schloss auch ein Kampf um Merkels politische Heimat. Die bestimmenden Themen sind keine regionalen, sonBündnis dern Zuwanderung und Flüchtlinge. Sie liegen mit 34 Prozent in der Bedeutung in Umfragen vor den Themen Gerechtigkeit (27 Prozent), Arbeit und Wirtschaft (20), Bildung und Schule (12) sowie Kriminalität und Sicherheit (10). Das Ergebnis erstaunt angesichts der Strukturschwäche der Wirtschaft und der immer noch starken Abwanderung der jungen Bevölkerung mangels Arbeit. Andererseits ist Mecklenburg-Vorpommern mit rund vier Prozent eines der vier Bundesländer mit dem geringsten Ausländeranteil (bundesweit 10,5 Prozent). Auch in der Flüchtlingskrise wurden die Mecklenburger wegen der Wirtschaftsschwäche verschont. Mit 18.851 Flüchtlingen bekamen nur das Saarland und Bremen weniger zugeteilt. Zudem müssen sich Mecklenburger auch weniger Sorgen um einen Arbeitsplatz machen als andere Deutsche. Es gilt im Gegensatz zu anderen Bundesländern ein besonderer Schutz: Arbeitgeber müssen nachweisen, dass kein gleich qualifizierter Deutscher für den Job infrage käme. Es gibt eine Vorrangprüfung für Ausländer, obwohl die Tourismusbranche wegen des aktuellen Booms händeringend nach Hilfskräften sucht.