Die Saat der Zwietracht
Die Anschläge in Ägypten treffen die Kopten, zielen aber auch auf den Präsidenten. Der hatte Ruhe und Prosperität versprochen und kann sein Wort nicht halten.
Was soll man noch kommentieren zu Ungeheuerlichkeiten dieser Art, was sagen, wenn Männer, beladen mit Sprengstoff, sich inmitten einer feiernden Gemeinde in die Luft jagen und ihre Hintermänner hochtrabende „Bekennerschreiben“absetzen, als wäre eine Heldentat geschehen und nicht eine Monstrosität, deren niemand bezichtigt werden will?
Das Ziel dieser Morde ist klar erkennbar: Unfrieden zu stiften zwischen Muslimen und Christen, wenn es geht, die Kopten zum Verlassen ihres Landes zu zwingen. Dass sie in Ägypten schon ihre Gottesdienste gefeiert hatten, als es den Islam noch gar nicht gab, tut nichts zur Sache, wenn es um die Reinheit des Glaubens geht, um ungestörte Dominanz.
Liest man die Reaktionen in Ägypten und anderen muslimischen Ländern, so sind die Mörder damit vorerst gescheitert. Dass die wichtigste sunnitische Lehranstalt, die Kairoer AlAzhar-Universität, von einem „widerlichen Verbrechen gegen alle Ägypter“sprach, „was sämtliche Prinzipien von Menschlichkeit und Zivilisation verhöhnt“, ist wichtiger als alle Kondolenzschreiben entsetzter Politiker. Es entzieht den Fanatikern die Legitimationsgrundlage, die sie zur Rekrutierung von Selbstmordattentätern und Sympathisanten brauchen.
Die Angriffe auf die Kopten verfolgen ganz offensichtlich auch ein politisches Ziel: Sie sollen die Ohnmacht des ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi demonstrieren, der seit Monaten einen blutigen Krieg gegen Islamisten am Sinai führt. Sie demonstrieren die ungebrochene Schlagkraft der Islamisten und verhindern zugleich, dass der General seine Versprechen halten kann. Nach der chaotischen Präsidentschaft des Muslimbruders Mohammed Mursi sollte, so hatte der General angekündigt, wieder Ruhe, Ordnung und wirtschaftlicher Aufschwung einkehren in Ägypten. Den Zorn der Kopten gegen die Mehr- heitsbevölkerung und ihren Präsidenten aufzustacheln, scheint ein probates Mittel, das zu verhindern. Solche Terrorakte schwächen außerdem den ohnedies schon stark zurückgegangenen Tourismus weiter und trüben so die Bilanz des durch Militärputsch an die Macht gelangten Herrschers.
Der Zeitpunkt für die Morde ist klug gewählt. Christen in Ost und West feiern heuer gemeinsam die Ostertage, das erhöht die weltweite Aufmerksamkeit für das Geschehen. Vielleicht lässt sich so auch noch der Papst abschrecken. Ende des Monats will Franziskus in Kairo die Al-Azhar-Universität besuchen, was vor ihm noch kein Papst getan hatte. Johannes Paul II. war zwar in Kairo gelandet, aber nur, um gleich zum Sinai weiterzufliegen.
Der Besuch eines Papstes bei Großimam Ahmed alTayyeb, dem Leiter der sunnitischen Universität und obersten Glaubenshüter, kann Fanatikern nur ein Dorn im Auge sein. Vielleicht zielt der Schrecken auch darauf ab, die Begegnung zu vereiteln. Wer Zwietracht säen will, kann Annäherung nicht brauchen.