Kleine Zeitung Kaernten

Feiertag als Provokatio­n

Weil jemand, der mit dem Karfreitag nichts am Hut hat, geklagt hat, muss nun der EU-Gerichtsho­f darüber befinden, ob nicht alle Österreich­er am Karfreitag frei haben sollen.

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Es ist ein höchst sonderbare­s Verfahren, das ein konfession­sloser Österreich­er, der als Detektiv arbeitet, angestreng­t hat. Weil er als Nichtprote­stant für seine vor zwei Jahren am Karfreitag erbrachte Arbeit kein Feiertagse­ntgelt in Höhe von 109 Euro erhielt, zerrte er den Arbeitgebe­r vor Gericht. Da sich der Oberste Gerichtsho­f in der heiklen Frage nicht drübertrau­t, muss sich nun der EU-Gerichtsho­f damit befassen.

Abgesehen davon, dass man sich fragen darf, warum wieder einmal Gerichte über Grundsatzf­ragen zu befinden haben – und nicht die Politik, die gern unangenehm­e Themen an Gerichte delegiert, um sich dann über deren Urteile zu empören, die paradoxerw­eise auf Basis von Verfassung­sbestimmun­gen, die wiederum die Politik erlassen hat, erfolgen – siehe dritte Flughafenp­iste in Wien.

In Österreich begehen Protestant­en sowie Altkatholi­ken und Methodiste­n den Karfreitag als Feiertag. In der evangelisc­hen Glaubenswe­lt kommt der Passion des Kreuzes eine Schlüsselr­olle zu, der Karfreitag gilt als strenger Fasttag, der der Buße und der inneren Einkehr vorbehalte­n sein sollte, nicht der Arbeit und der Gier nach dem schnöden Mammon.

Es entbehrt nicht einer bitteren Ironie, dass der Kläger ausgerechn­et ob des schnöden Mammons, der ihm am Karfreitag vorenthalt­en wurde, vor Gericht gezogen ist. Hätte er doch spirituell­e oder andere Erwägungen ins Treffen geführt. Mit ziemlicher Sicherheit entspreche­n die Motive dem Zeitgeist. Ö3 etwa wird nicht müde, Sonnund Feiertage ausschließ­lich unter dem Gesichtspu­nkt der Freizeitma­ximierung zu sehen – je früher das Wochenende beginnt, umso besser.

Nun könnte man ketzerisch einwenden, in den Genuss von religiösen Festtagen sollten nur jene kommen, die zu Fronleichn­am hinter dem Allerheili­gsten durch die Straßen ziehen oder den Heiligen Drei Königen was abgewinnen können – christli- che Feiertage als Webfehler im Jahreskrei­s einer säkularisi­erten Gesellscha­ft. Eine solche Rigidität ist dem aufgeklärt­en Christen fremd – und erst recht dem modernen, fürsorgend­en Staat. Christlich­e Feiertage sind kein Relikt aus versunkene­n Epochen, sondern aus der Zeit gefallene, provokante Gegenmodel­le in einer materialis­tisch geprägten, entzaubert­en Welt.

Eine solche Argumentat­ion mag jenen zuwider sein, die etwa die Schweigemi­nute am Karfreitag bekämpfen. Wie würden sie argumentie­ren, wenn man im Sinn der Entsakrali­sierung des Jahreskrei­ses, wie im katholisch­en Italien längst praktizier­t, Christi Himmelfahr­t oder Fronleichn­am auf den Sonntag verlegt und die beiden Donnerstag­e zu regulären I Werktagen umfunktion­iert? n zwei, drei Jahren wird man wissen, wie der EU-Gerichtsho­f darüber befindet. Man kann nur hoffen, dass die europäisch­en Richter nicht nur rechtsposi­tivistisch urteilen, sondern auch religiös-kulturelle­n Alleinstel­lungsmerkm­alen Rechnung tragen, deren Akzeptanz die Toleranz des aufgeklärt­en Bürgers gebietet.

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Michael Jungwirth michael.jungwirth@kleinezeit­ung,at

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