Kern in Israel: Warnung vor neuem Antisemitismus.
Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) führte bei seinem Besuch in Israel eindringliche Gespräche mit Holocaust-Überlebenden.
Es wird ganz still im österreichischen Pensionistenclub in Jerusalem, als Christian Kern die Stimme erhebt. „Österreich hat seine Lektion gelernt“, sagt der Kanzler bei einem Treffen mit Holocaust-Überlebenden und fügt hinzu: „So etwas darf nie wieder passieren.“Nicht nur aus Respekt vor den Opfern. „Wie wir mit Rassismus und Antisemitismus umgehen, zeigt, was für eine Gesellschaft wir wollen.“
Das Mittagessen am Sonntag mit den aus Österreich während der Naziherrschaft Vertriebenen ist einer der eindringlichsten Momente der Israel-Reise des Kanzlers. Österreich habe die meisten nie losgelassen: „Wir denken oft an unsere geborgene Kindheit im Elternhaus zurück“, sagt Gideon Eckhaus, Obmann des Vereins. Viele Freunde und Familienmitglieder seien aber in den NS-Konzentrationslagern oder auf der Flucht ermordet worden. Die meisten der heutigen Mitglieder seien damals als Kinder oder Jugendliche allein nach Israel gekommen, so Eckhaus. Eine ihnen war Nomi Meron: „Ich war damals 14 Jahre alt und musste das Trottoir waschen.“Lange habe sie mit ihrer alten Heimat gehadert, meinte die gebürtige Wienerin. In den vergangenen 40 Jahren sei sie aber doch wieder regelmäßig zurückgekehrt. „Das Beste in meinem Leben war, mit Österreich Frieden zu schließen.“Heute sitzt die alte Dame im Rollstuhl. Nun werde sie Österreich wohl kaum wiedersehen, meint sie.
Vereinsobmann Eckhaus warnte vor wachsenden antisemitischen Tendenzen: „Die Shoa sollte für immer ein Mahnmal sein, doch leider werden immer noch Hass und Antisemitismus verbreitet.“
Am Abend nimmt der Kanzler in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem an den offiziellen Gedenkfeiern des Staates Israel zum Yom Ha’Shoah, dem „Tag des Gedenkens an Holocaust und Heldentum“teil. An diesem israelischen Nationalfeiertag wird an die Opfer der Shoa, aber auch an den jüdischen Widerstand und das Helden- tum der jüdischen Untergrundkämpfer erinnert.
In der Früh bereits war er bei Staatspräsident Reuven Rivlin, der den Gast aus Österreich zur Wachsamkeit aufrief. „Antisemitismus und Faschismus sind nicht verschwunden, nicht aus Europa und auch nicht aus Österreich“, meine Israels Staatsvon
oberhaupt. Kern erzählte ihm von seiner mittlerweile 89-jährigen Mutter, die während des Nationalsozialismus untergetauchte Juden mit Essen versorgt habe, ehe diese eines Tages offenbar deportiert wurden.
In Ramallah traf der Bundeskanzler schließlich mit dem palästinensischen Regierungschef Hamdallah zusammen. Im Mittelpunkt des Treffens stand wenig überraschend der Konflikt zwischen Israel und Palästina. Große Hoffnung auf eine baldige Lösung hat Kern offenbar nicht: „Die Situation ist schwierig, man reist nicht mit viel mehr Optimismus ab, als man hier angekommen ist.“