Der Fast-Präsident und seine Lehrerin
Wenn Emmanuel Macron Präsident werden sollte, zöge das ungewöhnlichste Erste Paar der jüngeren Geschichte Frankreichs in den Élysée-Palast ein.
Sie ist Großmutter. Sieben Enkel hat Brigitte Macron, geborene Trogneux. Aber man sieht es ihr nicht an. Schwarze Stiefeletten, hautenge Jeans und dann diese blonde Mähne, so gekonnt nachlässig gekämmt, wie das nur Französinnen hinbekommen – eine junge Frau scheint da den 39jährigen Emmanuel Macron zu begleiten, den Sieger der ersten Präsidentschaftswahlrunde.
Wie sie sich mit 64 Jahren jung hält? Frauengeheimnis oder auch das Geheimnis einer angehenden Première Dame? Denn die Schöne ist Macrons Frau. Und er ist seit Sonntagabend Favorit auf den Einzug in den Élysée-Palast.
Die Rechtspopulistin Marine Pen, die ebenfalls dorthin strebt und mit der sich Macron in der Stichwahl zu duellieren hat, mag in dem Altersunterschied zwischen Monsieur und Madame Macron einen Schwachpunkt des Rivalen sehen. Zumal die Gerüchteküche brodelt. Wer sie befeuert, ist unklar. Was emporsteigt, ist eindeutig. Macron sei homosexuell und habe ein Verhältnis mit Mathieu Gallet, dem Direktor von Radio France, war etwa zu hören. Der Präsidentschaftskandidat sah sich genötigt, Stellung zu beziehen. Er tat es nicht ohne Humor. „Für Brigitte ist das unangenehm“, sagte Macron. „Sie fragt sich, wie ich das (Doppelleben) körperlich schaffe, wo ich doch rund um die Uhr mit ihr zusammen bin.“
Zuvor war von den beiden nur diese Liebesgeschichte im Umlauf gewesen. Vom jungen Emmanuel handelt sie, der für Madame Trogneux entflammt, seine Französisch-Lehrerin, ihr mit 17 Jahren seine Liebe gesteht, sie heiraten will – und als 29-Jähriger tatsächlich zum Traualtar führt.
Schauplatz ist die nordfranzösische Kleinstadt Amiens. Der aufgeweckte Arztsohn Macron erfreut sich dort großer Beliebtheit. Ganz besonders zugetan ist ihm Trogneux, die ihn nicht nur die Sprache Molières lehrt, sondern in einer Theater-AG auch die Schauspielkunst. Die beiden lesen Dramen, schreiben selbst ein Bühnenstück, kommen sich näher.
Wie der Schüler stammt auch die Lehrerin aus gutbürgerliLe
chen Verhältnissen. Vater und Mutter führen als Chocolatiers fort, was der Familie Trogneux seit fünf Generationen Einkommen und Ansehen beschert. Er steht in der Backstube, sie an der Kasse. Am Wochenende kommt man im noblen Seebad Touquet zusammen, wo die Familie eine Villa besitzt. Alles scheint in bester bürgerlicher Ordnung. Brigitte, die jüngste von sechs Geschwistern, hat geheiratet und drei Kinder zur Welt gebracht. Bis sie dann eben, wie sie später „Paris Match“anvertrauen sollte, „diese große Nähe“zu Macron verspürt. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, wechselt Macron im Einvernehmen mit den betroffenen Familien ans illustre Pariser Lycée Henri IV.
Zwölf Jahre später sind die Vergangenheit. Brigitte Trogneux’ Eltern leben nicht mehr. Sie selbst ist geschieden. Ihre Kinder sind erwachsen und tolerant genug, um den Lebensgefährten der Mutter mit offenen Armen zu empfangen. In der von den Eltern hinterlassenen Villa von Touquet richtet das Paar 2007 die Hochzeit aus.
Sollte Emmanuel Macron in den Elysée-Palast einziehen, würde Trogneux es als Première Dame wohl halten wie bisher. Sie würde Präsenz zeigen, ohne sich in den Vordergrund zu drängen. Mit Natürlichkeit, manchmal auch natürlicher Scheu, würde sie eine Rolle ausfüllen, die in Frankreichs Verfassung nirgends geregelt und zurzeit unbesetzt ist.