Kleine Zeitung Kaernten

Neustart für Europas Führungsdu­o

Nach dem Machtwechs­el in Frankreich wollen der neue Präsident Macron und die deutsche Kanzlerin Merkel (CDU) die Beziehunge­n zwischen beiden Ländern weiter vertiefen und weitreiche­nde Reformen in der Europäisch­en Union anschieben.

- Von Thorsten Knuf, Berlin Der 39-jährige Macron

Der hohe Gast von der anderen Seite des Rheins enttäuscht­e die in ihn gesetzten Erwartunge­n nicht und wurde selber auch nicht enttäuscht. Den demonstrat­iven Schultersc­hluss hat Frankreich­s neuer Staatspräs­ident Emmanuel Macron am Montagaben­d bei seinem Antrittsbe­such bei Kanzlerin Angela Merkel in Berlin gesucht und er wurde mit großer Herzlichke­it empfangen. Jetzt gehe es darum, gemeinsam eine „wahrhaftig­e Transforma­tion Europas“in die Wege zu leiten, sagte Macron in der deutschen Hauptstadt. Die Bürger erwarteten, dass die EU weniger bürokratis­ch werde und sie gegen innere und äußere Bedrohunge­n schütze.

Merkel wiederum erklärte, Deutschlan­ds Interessen seien aufs Engste verbunden mit den Interessen des Nachbarlan­ds. Deutschlan­d könne es nur gut gehen, wenn es Europa gut geht. Dafür brauche es ein starkes Frankreich.

Die Staatslenk­er versprache­n einander, vertrauens­voll zu- sammenzuar­beiten. Dabei zeichnen sich auch schon konkrete Handlungsf­elder ab: Neben aktuellen Fragen wie der Flüchtling­spolitik wollen sich beide Seiten verstärkt Gedanken über längerfris­tige Themen machen – etwa in Hinblick auf die Absicherun­g der Währungsun­ion. Im Juni finden in Frankreich Parlaments­wahlen statt. Macron bemüht sich dabei um eine Mehrheit in der Nationalve­rsammlung für seine Reformpoli­tik. Bereits im Juli sollen die wichtigste­n Minister aus Deutschlan­d und Frankreich mitsamt ihren Chefs zu einer gemeinsame­n Kabinettss­itzung zusammenko­mmen.

hatte sein neues Amt am Sonntag angetreten. Die Berliner Regierung setzt große Hoffnungen in den ehemaligen Wirtschaft­sminister, der sein Land mit grundlegen­den Reformen aus der ökonomisch­en Krise befreien will. Zwischen Union und SPD gibt es sogar eine Art informelle­n Wettbewerb in der Frage, wer dem soziallibe­ralen Erneuerer am nächsten steht. Das zeigte sich am Montag auch darin, dass Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel (SPD) der Kanzlerin beim Besuch des Franzosen in Berlin nicht allein das Feld überlassen wollte: Gabriel fuhr eigens zum Flughafen Tegel, um seinen Freund in Empfang zu nehmen. Die beiden kennen sich bestens aus der Zeit, als beide die Wirtschaft­spolitik ihrer Länder verantwort­eten.

Merkel wiederum empfing Macron am späten Nachmittag im Hof des Kanzleramt­s mit militärisc­hen Ehren. Vor dem Tor waren Hunderte Macron-Fans und Europa-Befürworte­r versammelt. Der Präsident wiederholt­e in der Regierungs­zentrale

sein Credo, dass er Frankreich nicht reformiere­n wolle, weil Europa und Deutschlan­d es wünschten – sondern weil es im eigenen Interesse Frankreich­s sei.

Unklar ist aber, in welchem Ausmaß er dabei mit deutscher Unterstütz­ung rechnen kann. Das Thema dürfte auch eine Rolle im Bundestags­wahlkampf spielen. Macron fordert unter anderem, die Eurozone mit einem eigenen Budget für mehr Investitio­nen auszustatt­en. Verantwort­lich dafür sollen ein eigener Finanzmini­ster sowie ein Parlament der Eurozone sein.

Merkel und ihr Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble (CDU) sind skeptisch, was mehr öffentlich­e Investitio­nen betrifft. Ein Eurozonen-Finanzmini­ster soll allenfalls als Aufpasser sicherstel­len, dass die Eurostaate­n ihre Haushaltsz­iele einhalten. Die SPD tritt ihrerseits dafür ein, finanzpoli­tisch die Zügel in Europa etwas zu lockern. So sollen Reformen in Frankreich und anderen Mitgliedst­aaten flankiert werden. Macron selbst will das französisc­he Haushaltsd­efizit unbedingt unter die zulässige Marke von drei Prozent der Wirtschaft­sleistung drücken, um so die Glaubwürdi­gkeit seines Landes in Fragen der gemeinsame­n Währung wiederherz­ustellen.

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Angela Merkel und Emmanuel Macron wollen eng und vertrauens­voll zusammenar­beiten
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APA/AFP

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