„Kurz verlangt auch vom Wähler eine Blankovollmacht“
Zu viel Macht in einer Hand – Leser äußern ihr Unbehagen über die jüngste Entwicklung in der ÖVP.
Dass Kurz das Durchgriffsrecht auch auf die Kandidatenlisten für die Landtage etc. haben möchte, erinnert mich an eine Art von parteiinterner Diktatur. Helmut Rößmann, Graz
„Der Alleinherrscher“, 15. 5.
Es ist recht ungewöhnlich für eine demokratische Partei. Die ÖVP-Granden sind nicht willig oder nicht imstande, eine politische Linie zu formulieren. Dafür verkünden sie lautstark und unisono: Der Messias ist da! Sind dies die Vorboten einer autoritären Entwicklung?
Hinzu kommt, dass Sebastian Kurz sich bisher nur in der etwas abgehobenen Nische der Außenpolitik profilieren konnte. Welche Lösungen für alle anderen Probleme des Landes, Wirtschaft, Arbeitslosigkeit, Bildung, Reform des Bundesstaates, Steuergerechtigkeit, Umwelt etc. er vorschlagen wird, ist eigentlich unbekannt. Wenn er nun rasch Parlamentswahlen fordert, noch bevor die Bürger wissen, was er darüber denkt und ob er fähig ist, dieses Pensum zu bewältigen, verlangt er eigentlich auch vom Wähler eine noch nie da gewesene Blankovollmacht. Sogar die interne Notbremse seiner Partei wird weitgehend ausgeschaltet.
„Der Führer brauch keinen Führerschein“, sagte einmal Karl Farkas in seinem Kabarett. Aber im Ernst, ist Österreich ein solches Risiko zumutbar?
Dr. Beppino Maieron,
Klagenfurt
Todesfurcht
Herrn Kurz kann man zu seinem hohen Maß von Selbstbewusstsein und Durchsetzungsvermögen nur gratulieren. Für die „alte“ÖVP gilt: Selbstmord aus Todesfurcht.
Dr. Helmut Sihler,
Pörtschach
Parteiinterne Diktatur
Sebastian Kurz hat also mit Zustimmung des Parteivorstandes die sogenannte totale Macht in der ÖVP übernommen. Dass dieser als Bundesparteiobmann bei der Auswahl der Kandidaten für den Nationalrat ein Durchgriffsrecht haben möchte und auch erhält, ist verständlich.
Dass er selbiges aber auch auf die Kandidatenlisten für die Landtage etc. haben möchte – und wahrscheinlich ebenfalls erhält – erinnert mich an eine Art von parteiinterner Diktatur. Die Autonomie der Bundesländer, in der Bundesverfassung festgehalten, wird hier außer Acht gelassen. Es stellt sich die Frage, ob das aus Sicht der Bundesländer besonders gut ist, wenn die Wiener auch hier die bestimmende Macht sind.
Helmut Rößmann,
Graz
Kurzsichtig
Wer denkt: „Ich bestimme! Allein!“Wem bei den Wörtern „Alleiniges Durchgriffsrecht“wohlige Schauer über den Rücken laufen, muss ihn wählen, den Kurz. Der Bürger denkt. Meint er.
Helga Hornbogner,
Friesach
Wähler-Vertreibung
Wenn Außenminister Kurz die ÖVP nicht gefällt, hätte er ja aus dieser austreten und eine neue Partei gründen können. Das hätte ihn freilich sein Ministeramt gekostet.
Seine Parteigründung innerhalb der ÖVP wird die Stammwähler, die sich in einer christlich-konservativen Partei beheimatet fühlten, vertreiben und so die ÖVP zerstören, wobei die derzeitigen ÖVP-Repräsentanten in der ersten Reihe fußfrei sitzend zusehen.
Mag. Waltraud Kreunz,
Eggersdorf
Kein Neustart mehr
„Der Befreiungsschlag“, 13. 5. Ich kann mich dem Leitartikel von Herrn Götz nur vollinhaltlich anschließen. Dass Außenminister Kurz die Regierungskoalition aufgekündigt hat, ist angesichts der ständigen Querelen beider Parteien absolut nachvollziehbar und ein wirklicher Befreiungsschlag. Zu groß ist das gegenseitige Misstrauen, zu vergiftet das Klima, um die Koalition fortzusetzen. Ich halte auch nichts von Kanzler Kerns Vorschlag, mit wechselnden Mehrheiten regieren zu wollen, da der Dauerwahlkampf nur fortgesetzt würde und so wichtige Reformen auf der Strecke blieben. Das Jahr 2008, wo Milliarden an Steuergeld in einer einzigen (!) Parlamentssitzung zur Bedienung der eigenen Klientel verschleudert wurden, sollte Warnung genug sein.
Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende, denn einen weiteren Neustart nimmt die Bevölkerung der SPÖ/ÖVP-Regierung ohnehin niemand mehr ab.
Ingo Fischer,
Lavamünd