Flüchtlinge werden zum Streitthema
Nach den Attacken von Trump werden die Gräben beim Gipfel der G7 tiefer. Rettungsschiffe dürfen Sizilien nicht anlaufen und die USA blockieren eine Gipfelerklärung.
Mit einigem Aufwand ist es jedes Jahr verbunden, wenn sich die Staats- und Regierungschefs der sieben führenden Industrienationen treffen – so wie gestern und heute in Taormina auf Sizilien. Ursprünglich waren die G7-Gipfel als informelle Zusammenkunft gedacht, bei der ohne Tagesordnung und Beschlusszwang über dieses und jenes geredet werden kann und persönliche Beziehungen abseits des Protokolls geknüpft werden sollten. Mittlerweile ist die Inszenierung zentraler Bestandteil und es gibt schriftliche Erklärungen. Fest verbunden mit dem Gipfel sind aber auch jährlich Tausende Demonstranten. Die Gegend um Taormina war schon seit Tagen streng abgeriegelt. Die Proteste fanden im einige Kilometer entfernten Giardini-Naxos statt. Italien hat dabei eine unrühmliche Gipfelgeschichte: In Genua kam 2001 ein Demonstrant ums Leben.
Zum G7-Gipfel gehört – jedes Jahr ein Stück symbolträchtiger – die Show. Diesmal fand das Gruppenfoto im Antiken Theater statt, wo früher Gladiatoren kämpften. Das symbolträchtigere Bild: Sechs Spitzenpolitiker gehen gemeinsam durch die Stadt. Der siebte, US-Präsident Donald Trump, folgt mit mehreren Minuten Abstand alleine.
Vier der sieben Teilnehmer waren zum ersten Mal dabei: Großbritanniens Premierministerin Theresa May, Frankreichs Präsident Emanuel Macron, Italiens Regierungschef Paolo Gentiloni, der gleichzeitig Gastgeber ist – und natürlich Trump. Nicht erst seit dem wenig diplomatischen Auftreten am Vortag bei der Nato in Brüssel gilt er als unberechenbarster Partner. Kanadas Premier Justin Trudeau ist nicht mehr ganz neu, Japans Ministerpräsident Shinzo Abe schon oft dabei gewesen. G7-Veteranin ist die deutsche Kanzlerin Angela Merkel. Ebenfalls in Taormina: EU-Ratspräsident Donald Tusk und Kommissionschef JeanClaude Juncker. May reiste wegen des Manchester-Anschlags aber nur für den ersten Tag an.
Mit dem Klima untereinander ist es so eine Sache. Mit dem Weltklima erst recht. Vor zwei Jahren verkündete Merkel nach dem Gipfel in Elmau stolz, man habe sich darauf geeinigt, kohlenstoffhaltigen Energieträgern wie Kohle die Rote Karte zu zei- gen. Wenige Monate später wurde in Paris gefeiert, weil sich die Staatengemeinschaft geeinigt hatte, den weltweiten Temperaturanstieg auf unter zwei Grad zu begrenzen – was eine massive Reduzierung des Kohlendioxidausstoßes voraussetzt. Trump hält den Klimawandel für ein Märchen. Der Papst, den Trump zuvor besuchte, hat ihm seine Umweltenzyklika mitgegeben. Berlin setzt auf einen anderen Köder: Merkel will die Bedeutung des Sektors der erneuerbaren Energien für Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze betonen.
Zentral ist aber auch der Grundsatzkonflikt um Freihandel und Schutzvorschriften, der durch Trump neu angeheizt wurde. Auch der deutsche Exportüberschuss, den viele Länder kritisieren, spielt eine Rolle.
Italien hat jedoch das Thema Flüchtlinge oben auf die Tagesordnung gesetzt. Mit Bedacht hatte Ex-Premier Matteo Renzi Sizilien als Tagungsort gewählt – die Insel liegt nah an Libyen. Wer über das Mittelmeer kommt, landet oft hier. Auch am Samstag in einer zweistündigen Sitzung mit sechs afrikanischen Staaten wird das Thema eine Rolle spielen. Flucht hat Ursachen: Kriege, Hunger, Armut – aber auch der Klimawandel erschwert die Lebensbedingungen immer weiter. Während des Gipfels dürfen Rettungsschiffe Sizilien nicht einmal anlaufen. Aus Verhandlungskreisen erfuhr die Deutsche Presseagentur, dass die Blockade der USA einen umfassenden Plan von Italien für eine bessere Bewältigung der Flüchtlingskrise zu Fall gebracht hat.