Kleine Zeitung Kaernten

„Es ist Zeit, politisch zu werden“

Martin Kusˇej lässt es krachen: Der künftige Intendant wird das Burgtheate­r kräftig umbauen – Vielsprach­igkeit inklusive.

- Von Ute Baumhackl

Wahrschein­lich muss, wer eine Ära plant, so beginnen: mit einer Kampfansag­e. Noch besser: mit gleich mehreren. „Wir erleben“, sagt Martin Kuˇseˇsj also bei seinem allererste­n öffentlich­en Auftritt als künftiger Burgtheate­rdirektor, „einen weltweiten Siegeszug der Dummheit und Intoleranz.“

Gegengift: die „Herzens- und Seelenbild­ung“durch das Theater. Weswegen der „materienlo­se Gewinn“durch die Kunst das zentrale Thema seiner Direktion ab 2019 werden soll. Und: Kuˇsej, als Regisseur wie als Intendant seit jeher Vertreter intelligen­ten Kraftlackl­theaters, will aufräumen mit „der großen Langeweile, der gefälligen Kunst, die weder bei Sponsoren noch beim Publikum aneckt. Das Burgtheate­r muss beispielha­ft Haltung zeigen. Es ist wieder Zeit, politisch zu werden.“Und ja, das bezieht etwaige Konfrontat­ionen mit der FPÖ mit ein: „Eine klare Haltung gegen rechten Populismus habe ich schließlic­h in Kärnten gelernt.“Außerdem: „Gerade in Wien mit seiner gewachsene­n Vielsprach­igkeit kann es nicht sein, dass die Bühnenkult­ur durch eine singuläre Sprache, das Deutsche, repräsenti­ert wird.“Die Burg werde sich also künftig auch durch Vielsprach­igkeit der Realität einer multikultu­rellen Gesellscha­ft stellen, „auch wenn die Nationalis­ten krakeelen“.

So also geht Überraschu­ng, wenn schon keiner erstaunt ist, dass man als Favorit tatsächlic­h von Kulturmini­ster Thomas Drozda als künftiger Herr über „das bedeutends­te, schönste, geliebtest­e Theater deutscher Zunge“(© Claus Peymann) präsentier­t wird. So geschehen gestern im Bundeskanz­leramt. Dort skizzierte der Kärntner, der seit 2011 als Intendant das bis dahin recht verschnarc­hte Münchener Residenzth­eater zu einer der spannendst­en Bühnen Deutschlan­ds aufgepumpt hat, seine Pläne.

Kuˇsej will aus dem zuletzt gar so braven Burgtheate­r also ein politische­s Haus machen. Das österreich­ische Dramatik von Jelinek bis Schmalz fördert. Das, durch Familienst­ücke, Jugend anlockt: „Extrem wichtig, um künftige Zuschauer ans Theater zu binden.“Internatio­nalisierun­g ist ihm wichtig, etwa durch Kooperatio­nen mit ausländisc­hen Bühnen. Und, Grundsatze­rklärung: Kuˇsej will der digitalen Vereinnahm­ung der Gesellscha­ft ein durch und durch analoges Theater gegenübers­tellen, „ein Liveerlebn­is mit komplexen Menschen aus Fleisch und Blut. Das ist ein klares Bekenntnis zum Schauspiel­erund Ensembleth­eater.“Postdramat­ik dagegen ist an seiner Burg nicht zu erwarten, die hält er für „eine Sackgasse“. Und weil er auch Bilanzen lesen könne, gelte künftig: „Skandale gibt es am Burgtheate­r mit mir höchstens auf der Bühne.“Eine Inszenieru­ng pro Saison ist mit ihm vereinbart.

Beworben hat er sich um den Job übrigens nicht: Drozda, dem elf Bewerbunge­n vorlagen, hat ihn gefragt. „Ein bissl nervös“, gab er vor der versammelt­en Presse noch zu, sei er schon, „für einen Österreich­er ist das eben ein besonderer Job.“Und: „Ich bin auch stolz, dass ich als Kärntner Slowene hier stehe. Weil das hätte sich bei uns zu Hause keiner gedacht.“

Ich sehe es als meine Aufgabe, das Burgtheate­r auf die nächsten 20, 30, 40 Jahre vorzuberei­ten. Das heißt aber nicht, dass ich die nächsten 20, 30, 40 Jahre Burgtheate­rdirektor bleiben will.

Martin Kusˇej

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