Geschichte einer dunklen Liebe
Eine Entdeckung: der jüdische Autor David Vogel im Wien der 1920er-Jahre.
Nachdem vor vier Jahren die Wiederentdeckung seines verschollenen Romans „Eine Wiener Romanze“als literarische Sensation gefeiert wurde, legt der Aufbau-Verlag nun auch das lange vergriffene Vorgängerbuch „Eine Ehe in Wien“von David Vogel auf.
Der Ton ist auch darin der eines müden Melancholikers, die Geschichte traurig und ebenso erotisch aufgeladen, die Sprache voll altertümelnder Austriazismen, die den 500-SeitenRoman vertraut klingen lassen. Liest man die Schilderungen einer bürgerlichen Bohème im Wien des beginnenden 20. Jahrhunderts, fühlt man sich unweigerlich an Werfel und Schnitzler, Joseph Roth und Stefan Zweig erinnert. Auch David Vogel, der heute als Erneuerer der hebräischen Literatur gilt, lebte als Jude zu Zeiten der k. u. k. Monarchie in Wien, emigrierte nach Palästina, kehrte nach Europa zurück und wurde schließlich 1944 in Auschwitz ermordet.
Zweifellos sein Alter Ego im Buch ist der glücklose Schriftsteller Rudolf Gordweil, der sich in eine heillose Abhängigkeit von der skrupellosen Femme fatale Thea von Tako verstrickt – eine kaltherzige Sadistin, die er dennoch heiratet. Obwohl außer Kaffeehausbesuchen, Praterspaziergängen und vielen Streifzügen durchs Wien der 1920er nicht viel geschieht, wird man von den atmosphärischen Schilderungen, der plastischen Personenzeichnung und der klaren Sprache gefesselt. Und die Katastrophe scheint unausweichlich, als das quälende Treiben der Ehefrau auch nach der Geburt des gemeinsamen Kindes nicht nachlässt.