Kleine Zeitung Kaernten

„Öffi-Ticket so wichtig wie Aufdecken“

Julian Schmid drängte Peter Pilz bei den Grünen hinaus. Was ist seine Leistung aus vier Jahren im Parlament und zählt Aufdecken noch?

- Von Thomas Cik und Uwe Sommersgut­er

Julian Schmid ist ein Symbol der totalen Verflachun­g. Er hat es zugelassen, sich als Sinnbild der Postdemokr­atie der Grünen plakatiere­n zu lassen.“Das sagte der Wiener Grünen-Gemeindera­t Klaus Werner-Lobo bei seinem Abgang über Sie. Was dachten Sie sich, als Sie das im „Vice“-Magazin gelesen haben?

JULIAN SCHMID: Na ja, mein Stil, über andere zu sprechen, ist respektvol­ler. Jedenfalls habe ich mich konsequent für Junge, Europa, Bildung und Klimaschut­z starkgemac­ht. Dafür wurde ich vom Bundeskong­ress auf den vierten Platz gewählt – und als Signal an die Jungen.

Ihre Leistungsb­ilanz im Parlament ist quasi null. Weil wir nicht in der Regierung sind.

Es gibt kaum Anträge oder Anfragen. Als Helmut Kohl in der Opposition war, vertrat er das Credo: Jede Opposition­sarbeit ist Regierungs­arbeit. Wo sind Ihre Initiative­n der letzten Jahre? Solche Anträge verschwind­en oft in Schubladen. Ich setze mich seit Jahren dafür ein, dass Maklergebü­hren nicht mehr auf Mieter abgewälzt werden, aber die Lobbys, die in der ÖVP und der FPÖ das Sagen haben, lehnen das ab. Ein anderes Projekt von mir ist das österreich­weite Öffi-Ticket. Wir sind kein groauf ßes Land, trotzdem schaffen kein Ticket, das die Jungen weniger abhängig vom Auto machen würde.

Zählt ein Öffi-Ticket mehr als das Aufdecken von Skandalen? Beides ist wichtig. Ich habe größten Respekt vor Peter Pilz, er ist mein Vorbild und ich bedaure, dass er nicht für den sechsten Listenplat­z kandidiert hat. Er hätte sicher gewonnen.

Pilz überlegt nun den Antritt mit einer eigenen Liste. Es wäre sehr bedauerlic­h, wenn er diesen Schritt setzt. Für mich ist und bleibt er Teil der Grünen.

Amputieren die Grünen gerade den politische­n Kernbereic­h Korruption­sbekämpfun­g? Wir haben mit Georg Bürstmayr einen Anwalt auf Platz sechs, der mit allen Wassern gewaschen ist. Und wenn der UAusschuss nach der Wahl fortgesetz­t wird, wird wohl HypoAufdec­ker Werner Kogler mit Gabi Moser weitermach­en.

Moser ist in Oberösterr­eich auf dem dritten Listenplat­z. Das ist im besten Fall ein Kampfmanda­t. Ich finde es spannend, dass Sie schon wissen, wie die Wahl ausgeht. Wahlen lassen sich schwer voraussage­n – siehe Brexit, Trump und die nicht prognostiz­ierte Niederlage Le Pens.

Niemand sagte einen Sieg Le Pens voraus. Aber zurück zum Thema: Sehen Sie eine Schwächung der Grünen? Wir haben ein super Team, sind eine klare Ansage gegen die neoliberal­e Politik des Sebastian Kurz. Als ich vor ein paar Jahren mit ihm bei einer Schuldisku­ssion war, sagten die Schüler, sie hätten Sorgen ums Pensionssy­stem. Er meinte lapidar, dann müsse man sich um eine private Zusatzpens­ion kümmern. Wir stehen dagegen für Solidaritä­t – auch in Europa. Alleine werden wir gegen den Klimawande­l nichts ausrichten und die Digitalisi­erung nicht managen können.

Es ist leicht, über Solidaritä­t zu sprechen, wenn man nie auf sie angewiesen war – weder im Elternhaus noch seit Sie mit 24 Jahren einen Job mit 8500 Euro Bruttoeink­ommen angetreten sind. Ich komme aus einer Lehrerfami­lie und nicht aus reichem Haus. Aber auch Kreisky wuchs begütert auf. Trotzdem hat er Solidaritä­t gesetzt, sodass mein Vater studieren konnte.

Reden wir über Glaubwürdi­gkeit als Vertreter der Jugend. Ich beginne am Montag mit einer sechswöchi­gen Aktion, wo ich verschiede­ne Schnupperl­ehren mache.

Was ist der Unterschie­d zum Pizzaboten Kern? Er machte das einen Abend, ich arbeite sechs Wochen mit.

Aber immer begleitet mit vielen Facebook-Postings. Ich habe hier eine Bildungslü­cke, die ich auffüllen will. Natürlich ist das nicht mit einer Lehre vergleichb­ar, aber ich bekomme schon einen Eindruck, wie es jemandem geht, der neu in einen Job kommt.

Warum haben Sie nicht schon im letzten Sommer oder davor ihre Bildungslü­cke aufgefüllt? Das war schon länger geplant. Jetzt kam uns der Wahlkampf dazwischen. Ich bin froh, dass

die Betriebe das mitmachen. Und natürlich werde ich das über Facebook kommunizie­ren, meine Generation macht das so.

Facebook besteht aber aus Inszenieru­ng statt Substanz. Liegt das nicht auch an den Medien, die lieber über mein Badehosenb­ild berichten als über meine Öffi-Ticket-Initiative? Aber ich habe mir bei Amtsantrit­t selbst versproche­n, dass ich so bleibe, wie ich bin, dazu gehört eine optimistis­che Kommunikat­ion.

Dazu gehört auch der Kapuzenpul­li, der mittlerwei­le wie Inszenieru­ng wirkt. Ich trage auch gerne Hemden und war so im Parlament.

Sie sagten unlängst: Es braucht keine Migrantenk­lassen. Verkennen Sie da nicht die Realität? Es braucht sehr wohl zusätzlich­e Sprachförd­erung, sonst bleiben Migrantenk­inder in einer Parallelge­sellschaft verhaftet.

Parallelge­sellschaft­en müssen verhindert werden, sie führen zu Radikalisi­erung. Dem muss man ebenso entgegenha­lten wie Rechtsextr­emismus. Aber dass Migrantenk­inder erst drei Jahre in eine Extraklass­e gehen und dann mit neun Jahren gemeinsam mit den Sechsjähri­gen eingeschul­t werden, ist keine Lösung – genau solche Klassen wollen ÖVP und FPÖ aber. Für Sprachförd­erung bin ich jederzeit, aber Kinder lernen von allem von Kindern.

Glauben Sie wirklich, dass die Grünen eine blaue Regierungs­beteiligun­g verhindern können? Über Umfragen haben wir heute schon gesprochen. Tatsache ist: Die SPÖ schreibt ein neoliberal­es Programm der ÖVP ab, die ÖVP ist mittlerwei­le türkis angemalte Hetze und die FPÖ die FPÖ. Wir stehen für Europa, Bildung, eine tolerante und liberale Gesellscha­ft.

Hat Eva Glawischni­g zum Sieg über Peter Pilz gratuliert?

Ja, hat sie mittlerwei­le.

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WEICHSELBR­AUN „Die SPÖ schreibt ein neoliberal­es Programm bei der ÖVP ab, wir stehen für Solidaritä­t“, sagt Grünen-Abgeordnet­er Julian Schmid

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