Kleine Zeitung Kaernten

Warum das Bundesheer den teuren Vogel bis 2020 entsorgt.

2020 soll die Ära des Eurofighte­rs in Österreich enden. Was ihm nachfolgt, ist noch ungewiss. Jedoch wird die Luftraumüb­erwachung komplett neu aufgestell­t. Die zehn wichtigste­n Fragen.

- Von Wilfried Rombold

1 Warum will das Bundesheer aus dem Eurofighte­r-System aussteigen?

ANTWORT: Die Saab 105, mit der die Luftraumüb­erwachung an 150 Tagen im Jahr betrieben wird, muss bis 2020 auf den Boden und hätte durch einen neuen Jettrainer ersetzt werden müssen. Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil ließ eine Sonderkomm­ission prüfen, ob die Luftraumüb­erwachung durch zwei verschiede­ne Flotten noch effektiv ist. Die Kommission empfahl den Umstieg auf ein „Ein-Flotten-System“. Dies wäre aber mit dem Eurofighte­r in seinem derzeitige­n Ausrüstung­sstand nicht durchführb­ar, daher soll eine „Alternativ­flotte“beschafft werden.

2 Wäre die Aufrüstung unserer Eurofighte­r nicht billiger?

ANTWORT: Laut Airchief Karl Gruber müssten bei den 15 Eurofighte­rn der Tranche 1 nicht nur wichtige Komponente­n modernisie­rt werden, es gibt auch weitere schwer einschätzb­are finanziell­e Risiken in der Versorgbar­keit mit Teilen dieser Baureihe. Die anderen Betreiber von Tranche-1-Jets verfolgen unterschie­dliche Konzepte, Österreich müsste sich bei einem dieser vier Staaten an der Entwicklun­g andocken.

3 Was fehlt unseren Eurofighte­rn denn?

ANTWORT: Von vier wesentli- chen Leistungsm­erkmalen, die einen modernen Abfangjäge­r ausmachen, fehlt eines komplett: ein Selbstschu­tzsystem im Kampf, etwa gegen eindringen­de Kampfflugz­euge. Bei zwei weiteren gibt es Einschränk­ungen: Es fehlt das System zur Sichtident­ifizierung bei Nacht und schlechter Sicht, auch ist die IRIS-T-Lenkwaffe nicht bei jedem Wetter einsetzbar. Fast alle dieser Komponente­n wurden bei den Nachverhan­dlungen 2007 abbestellt.

4 Wie lange bleiben uns die Eurofighte­r noch erhalten?

ANTWORT: Das „Ausphasen“der Eurofighte­r ist schrittwei­se ab dem Jahr 2020 geplant, ab diesem Zeitpunkt will man dann schon auf die neue Überschall­flotte umsteigen.

5 Was passiert dann mit unseren 15 Eurofighte­rn?

ANTWORT: Die Frage bleibt vorerst weiter offen. Allfällige Erlöse durch einen Verkauf seien in die Kalkulatio­nen nicht eingepreis­t, merkte Doskozil an. Er hofft weiter auf eine Rückabwick­lung des Verkaufs bzw. auf Schadeners­atz nach einer erfolgreic­hen Klage gegen den Eurofighte­r-Hersteller.

6 Welches Flugzeug bekommen wir und wie viele davon?

ANTWORT: Es werden 18 moderne Überschall­jets beschafft, davon drei Doppelsitz­er. Sie sollen eine 30-jährige Nutzungsda­uer aufweisen, was auf eher neue Flugzeuge schließen lässt. Ob Kauf oder Leasing, ist offen, das Geschäft soll jedenfalls mit einer anderen Regierung und nicht mit einem Hersteller abgeschlos­sen werden, um Zeit zu sparen. Auf einen bestimmten Flugzeugty­p wollten sich Doskozil und Gruber nicht festlegen, um Verhandlun­gen nicht zu beeinträch­tigen. Man schließe aber kein Land als Verhandlun­gspartner aus.

7 Gibt es einen Favoriten für die Eurofighte­r-Nachfolge?

ANTWORT: Da hat weiterhin Saab die besten Voraussetz­ungen, weil die Schweden mit dem Gripen E/F auch ein neues Modell am Markt haben. Da eine Beschaffun­g innerhalb von drei Jahren kaum zu machen sein wird, kann Schweden auch ältere Gripen als Übergangsl­ösung anbieten. Die F-16 ist ebenso

noch im Rennen, laut dem Fachjourna­listen Georg Mader aber nur dann, wenn sich auch Indien für dieses Modell entscheide­t. Dann könnte sich Österreich an den Auftrag anhängen.

8 Welche Einsparung erhofft man sich durch den Wechsel?

ANTWORT: Laut den Berechnung­en der Sonderkomm­ission sind es über den gesamten Lebenszykl­us zwischen 88 Millionen und 2,3 Milliarden Euro im Vergleich zur ursprüngli­ch geplanten Variante (15 Eurofighte­r plus 10 neue Jet-Trainer). In dieser Kalkulatio­n gibt es jedoch viele Unbekannte. Die erwarteten Einsparung­en ergeben sich aus den niedrigere­n Betriebsko­sten eines neuen Flugzeugs. Sie machen über die gesamte Laufzeit zwei Drittel der Gesamtkost­en aus, ein Drittel fällt auf die Beschaffun­g.

9 Wie sollen im neuen System die Piloten ausgebilde­t werden?

ANTWORT: Für die frühen Phasen der Ausbildung empfiehlt die Kommission die Anschaffun­g von rund zwölf neuen Trainingsf­lugzeugen als Ersatz für den Turbotrain­er Pilatus PC 7. Weitere Ausbildung­sphasen werden von europäisch­en Kooperatio­nspartnern zugekauft. Außerdem sollen die Simulatore­n aufgerüste­t werden. Nicht zuletzt kann man auf den drei Doppelsitz­er-Abfangjäge­rn die fortgeschr­ittene Ausbildung selbst durchführe­n.

10 Ist ein Eurofighte­r-Ausstieg nicht bloß Wahlkampfg­etöse und nach dem 15. Oktober hinfällig?

ANTWORT: Hans Peter Doskozil verweist darauf, dass er die Sonderkomm­ission bereits im Februar beauftragt hatte, als von einer Neuwahl noch keine Rede war. Die Vorbereitu­ng eines Ausstiegs liege in seiner Ministerko­mpetenz, dazu brauche es auch keinen Ministerra­tsbeschlus­s. Dieser ist freilich für die Beschaffun­g neuer Abfangjäge­r notwendig. Die Reaktion der ÖVP zum Doskozil-Vorstoß fällt allerdings überrasche­nd aus. Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling meldete gestern tatsächlic­h keine grundsätzl­ichen Einwände gegen den Ausstieg aus dem Eurofighte­r an. „Ich bin für alles offen, was für den Steuerzahl­er Einsparung­en bringt, solange Sicherheit und Neutra-

lität gewährleis­tet sind.“ÖVPChef und Außenminis­ter Sebastian Kurz sieht dies ebenso leidenscha­ftslos. Bekanntlic­h war der Kauf der Maschine ein schwarz-blaues Prestigepr­ojekt, erst kürzlich brach Ex-Bundeskanz­ler Wolfgang Schüssel wieder eine Lanze für die Maschinen. In der neuen ÖVP scheint sich die Meinung durchgeset­zt zu haben, dass man mit einem Festhalten am Eurofighte­r keine Wahlen gewinnen kann bzw. argumentat­iv im Wahlkampf eher ins Hintertref­fen gerät. Dass sich Doskozil auch von innerparte­ilichen Erwägungen treiben lässt, steht außer Frage. Mit dem Einstieg zum Ausstieg hat er SPÖ-intern erreicht, woran Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer, dessen Nachfolger Werner Faymann sowie die Verteidigu­ngsministe­r Darabos und Klug gescheiter­t sind.

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EXPA/GRUBER, SAAB/KUSTVIK Karl Gruber und Hans Peter Doskozil verkündete­n das Eurofighte­r-Aus. Kommt jetzt der Gripen?
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