Kleine Zeitung Kaernten

Barrikaden und Autos in Flammen: Gewalt überschatt­et Gipfel.

In Hamburg haben die Zornigen den G20-Gipfel und die Proteste der Friedliche­n gekapert. Und sie kennen kein Maß.

- Von Melanie Reinisch, Hamburg

Die Stimmung ist geladen und aufgeheizt. An den Landungsbr­ücken werden Wasserwerf­er und Reizgas eingesetzt, die Polizei kommt mit Reitern. Immer mehr Menschen mit bunten, selbst gebastelte­n Plakaten verlassen die Demo. Man sieht Menschen stolpern, ein Polizist wird von mehreren Vermummten verfolgt, Beamte rennen den Menschen entgegen, setzen Schlagstöc­ke ein. Am Abend gibt es im Schanzenvi­ertel heftige Straßensch­lachten. Immer wieder fordert die Polizei gewalttäti­ge Demonstran­ten auf, Stein- und Flaschenwü­rfe zu unterlasse­n.

In der Elbphilhar­monie läuft für die Gipfelteil­nehmer Klassik, auf der Straße spitzt sich die Gewalt zu: Weil ein Polizist, wie ein Sprecher der Behörden erklärt, „massiv von Gewalttäte­rn angegriffe­n worden“sei, greift er zur Waffe und flüchtet sich in ein Geschäft. „Der Warnschuss wurde abgegeben, als Einsatzkrä­fte einen Straßenrau­b beobachtet­en und von den Tätern angegriffe­n wurden“, heißt es vonseiten der Polizei.

Zuvor sind von überall Menschen herbeigest­römt, die sich mit lautstarke­n Sprechchör­en dem Demozug anschließe­n. Großes Ziel: den Ablauf des G20-Gipfels spürbar zu stören, diese „Inszenieru­ng der Macht, die der Gipfel darstellt“, wie das „BlockG20“-Aktionsbün­dnis erklärt. Sie schafften es bis zu den Landungsbr­ücken, wo es heftige Auseinande­rsetzungen zwischen den Polizisten und den Vermummten des schwarzen Blocks gibt. Zeitweise führt das in dem umliegende­n Alten Elbpark zu Massenpani­k, weil Menschen in alle Himmelsric­htungen rennen, wenn die Polizei versucht, den schwarzen Block zurückzudr­ängen. Auf der Flucht vor der Polizei verletzen sich am Freitagmor­gen elf Demonstran­ten schwer.

Bei Weitem nicht alle sind Randaliere­r. Nehmt euch was zu futtern mit“, ruft eine Frau mit Rastalocke­n in die Menge, die auf einem Lastenfahr­rad Brote und Bananen anbietet. Viele greifen zu, eine Vertrauens­kasse liegt zwischen den Broten. Rund 1000 Menschen haben sich inzwischen versammelt. Bunt sind sie: lila, pink, wenige tragen Schwarz. Pünktlich geht es los. Doch sie kommen nicht weit. Polizisten stellen sich ihnen an der Helgolände­r Allee in den Weg, erste Bengalos fliegen durch die Morgenluft, die Protestier­er wollen über die Brücke fliehen, die Hundertsch­aften rennen hinterher. Das gleiche Katz-und-Maus-Spiel wie am Tag zuvor.

Der Block zersplitte­rt sich, einige Hundert Menschen werden in einem Wohngebiet in St. Pauli von der Polizei eingekesse­lt. Dann wird es laut. Und bunt. Clowns versuchen Polizisten zum Lachen zu bringen. Eine Samba-Trommelgru­ppe legt los, dazu singt sie: „Ihr habt Knüppel, wir haben Sticks. Wir können Samba, ihr könnt nichts.“Es wird getanzt, die Stimmung ist ausgelasse­n.

Anwohner stehen an den Fenstern, verschlafe­ne Kinder mit Schnullern schauen heraus.

Im Laufe des Tages wird die Situation in der Stadt immer wieder eskalieren, an verschiede­nen Orten. In Altona brennen wieder Autos, die Hamburger Polizei fordert Verstärkun­g an. Autonome ziehen an den Geschäften vorbei, zertrümmer­n Scheiben, schmeißen Stühle einer Bäckerei durch die Einkaufspa­ssage.

Eine junge Frau bekommt Pfefferspr­ay in die Augen. Freunde kümmern sich um sie. Sabine S. ist 24 Jahre alt und schon seit Dienstag in Hamburg. Extra aus Frankfurt ist sie angereist, um friedlich ihren Protest auszudrück­en: gegen ein System, das Krieg und Gewalt fördere, sagt sie. Es habe so viele friedliche Veranstalt­ungen gegeben in den letzten Tagen. „Wir haben getanzt, gegrillt, gefeiert“, erklärt die junge Frau. Zur „Welcome to Hell“-Demo ist sie nicht gegangen. „Ich finde den Titel nicht gut. Ich wünsche niemandem die Hölle.“

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Brennende Barrikaden und Autos: Hamburg im Ausnahmezu­stand
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APA (4) Rauchschwa­den über der Stadt: Die Anliegen jener, die friedlich demonstrie­rten, gingen angesichts der Randale unter
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Angela Merkel versuchte, einen gemeinsame­n Nenner zu finden. Putin und Trump beim Händedruck: Die beiden inszeniert­en ihre eigene Show
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