Barrikaden und Autos in Flammen: Gewalt überschattet Gipfel.
In Hamburg haben die Zornigen den G20-Gipfel und die Proteste der Friedlichen gekapert. Und sie kennen kein Maß.
Die Stimmung ist geladen und aufgeheizt. An den Landungsbrücken werden Wasserwerfer und Reizgas eingesetzt, die Polizei kommt mit Reitern. Immer mehr Menschen mit bunten, selbst gebastelten Plakaten verlassen die Demo. Man sieht Menschen stolpern, ein Polizist wird von mehreren Vermummten verfolgt, Beamte rennen den Menschen entgegen, setzen Schlagstöcke ein. Am Abend gibt es im Schanzenviertel heftige Straßenschlachten. Immer wieder fordert die Polizei gewalttätige Demonstranten auf, Stein- und Flaschenwürfe zu unterlassen.
In der Elbphilharmonie läuft für die Gipfelteilnehmer Klassik, auf der Straße spitzt sich die Gewalt zu: Weil ein Polizist, wie ein Sprecher der Behörden erklärt, „massiv von Gewalttätern angegriffen worden“sei, greift er zur Waffe und flüchtet sich in ein Geschäft. „Der Warnschuss wurde abgegeben, als Einsatzkräfte einen Straßenraub beobachteten und von den Tätern angegriffen wurden“, heißt es vonseiten der Polizei.
Zuvor sind von überall Menschen herbeigeströmt, die sich mit lautstarken Sprechchören dem Demozug anschließen. Großes Ziel: den Ablauf des G20-Gipfels spürbar zu stören, diese „Inszenierung der Macht, die der Gipfel darstellt“, wie das „BlockG20“-Aktionsbündnis erklärt. Sie schafften es bis zu den Landungsbrücken, wo es heftige Auseinandersetzungen zwischen den Polizisten und den Vermummten des schwarzen Blocks gibt. Zeitweise führt das in dem umliegenden Alten Elbpark zu Massenpanik, weil Menschen in alle Himmelsrichtungen rennen, wenn die Polizei versucht, den schwarzen Block zurückzudrängen. Auf der Flucht vor der Polizei verletzen sich am Freitagmorgen elf Demonstranten schwer.
Bei Weitem nicht alle sind Randalierer. Nehmt euch was zu futtern mit“, ruft eine Frau mit Rastalocken in die Menge, die auf einem Lastenfahrrad Brote und Bananen anbietet. Viele greifen zu, eine Vertrauenskasse liegt zwischen den Broten. Rund 1000 Menschen haben sich inzwischen versammelt. Bunt sind sie: lila, pink, wenige tragen Schwarz. Pünktlich geht es los. Doch sie kommen nicht weit. Polizisten stellen sich ihnen an der Helgoländer Allee in den Weg, erste Bengalos fliegen durch die Morgenluft, die Protestierer wollen über die Brücke fliehen, die Hundertschaften rennen hinterher. Das gleiche Katz-und-Maus-Spiel wie am Tag zuvor.
Der Block zersplittert sich, einige Hundert Menschen werden in einem Wohngebiet in St. Pauli von der Polizei eingekesselt. Dann wird es laut. Und bunt. Clowns versuchen Polizisten zum Lachen zu bringen. Eine Samba-Trommelgruppe legt los, dazu singt sie: „Ihr habt Knüppel, wir haben Sticks. Wir können Samba, ihr könnt nichts.“Es wird getanzt, die Stimmung ist ausgelassen.
Anwohner stehen an den Fenstern, verschlafene Kinder mit Schnullern schauen heraus.
Im Laufe des Tages wird die Situation in der Stadt immer wieder eskalieren, an verschiedenen Orten. In Altona brennen wieder Autos, die Hamburger Polizei fordert Verstärkung an. Autonome ziehen an den Geschäften vorbei, zertrümmern Scheiben, schmeißen Stühle einer Bäckerei durch die Einkaufspassage.
Eine junge Frau bekommt Pfefferspray in die Augen. Freunde kümmern sich um sie. Sabine S. ist 24 Jahre alt und schon seit Dienstag in Hamburg. Extra aus Frankfurt ist sie angereist, um friedlich ihren Protest auszudrücken: gegen ein System, das Krieg und Gewalt fördere, sagt sie. Es habe so viele friedliche Veranstaltungen gegeben in den letzten Tagen. „Wir haben getanzt, gegrillt, gefeiert“, erklärt die junge Frau. Zur „Welcome to Hell“-Demo ist sie nicht gegangen. „Ich finde den Titel nicht gut. Ich wünsche niemandem die Hölle.“