Der Abgang der traurigen Song-Diva
Sie selbst ist gebrochen, ihre Stimmbänder sind es auch: Sängerin und Songwriterin Adele (29) hat Anfang dieser Woche endgültig bekannt geben müssen, was sich schon länger angebahnt hat: den Abbruch ihrer Welttournee. In ihrer Heimatstadt London wollte sie noch einen fulminanten Schlusspunkt setzen, es wurde buchstäblich nur eine halbe Sache: Vier Konzerte waren geplant, nur zwei davon hat die Britin noch durchgehalten. Dann war endgültig Schluss: mit der Stimme, mit der Kraft und wohl auch dem Willen, sich das weiterhin anzutun.
Es ist das (vorläufige) Live-Ende einer unbeschreiblichen Karriere, die sich anhand von drei Zahlen festmachen lässt: „19“, „21“und „25“. Das sind die Album-Titel der Künstlerin Adele Laurie Blue Adkins. Ihr Lebensalter sollte daran festgemacht werden, ihr Aufstieg auch, der wohl nur als kometenhaft bezeichnet werden kann. 100 Millionen Tonträger hat das stimmliche und auch körperliche Schwergewicht bisher verkauft. Der Hinweis auf das physische Volumen ist nicht despektierlich gemeint, Adele selbst hat gerne damit gespielt. Zu Recht und wohltuend offen. Inmitten von künstlich geformten Retorten-Stars mit Wespentaillen hat diese schnoddrige Plaudertasche, die auch bei Auftritten in der noblen Royal Albert Hall gerne pralle Street-Storys aus dem derben Leben erzählte, durch Natürlichkeit gepunktet.
Zuletzt hat Adele aber immer mehr den Eindruck einer traurigen Diva gemacht, die viel älter wirkte als die Jahreszahlen auf ihren Platten. Musikalisch steht sie einsam auf einem Olymp. Mit ihrer Songkunst gelang ihr das seltene Kunststück, Qualität und Quantität unter einen Hut zu bringen. Sowohl das unverwechselbare Timbre ihrer kastanienbraunen Stimme als auch die Tiefe der Lieder suchen ihresgleichen. Der Preis für den glühenden Aufstieg war hoch, aber zumindest nicht ultimativ. Andere in ihren Alter sind schlicht verbrannt, Adele hat sich nur versengt. Mögen die Wunden heilen und die Künstlerin gesunden.