Sobotka will keine Grenzkontrollen derzeit am Brenner.
Steht uns ein zweiter Flüchtlingssommer – nach 2015 – ins Haus? Oder zündelt die Politik wahlkampfbedingt? Vor zwei Wochen kündigte Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil die Verlegung von vier Radpanzern nach Tirol an, am Wochenende forderte FPÖ-Chef HeinzChristian Strache umgehende Grenzkontrollen am Brenner. Gestern besuchten Innenminister Wolfgang Sobotka und Landeshauptmann Günther Platter den Brenner, und die Botschaft, die Sobotka parat hatte, mag manchen überraschen: Sobotka sieht „mittelfristig keinen Anlass, Grenzkontrollen am Brenner hochzufahren“. Derzeit passieren Fahrzeuge und Busse den Brenner, ohne anzuhalten. Allerdings muss man damit rechnen, in eine Schleierfahndung im Hinterland zu geraten. Züge werden sowohl von Italien als auch Österreich kontrolliert, die Zahl der Beamten werden jetzt von 80 auf 100 erhöht. Laut Tiroler Polizei werden täglich rund 20 Flüchtlinge im Bereich des Brenners aufgegriffen – die Zahl stagniert seit Monaten.
Doch niemand wagt Prognosen, denn die Lage in Italien könnte rasch kippen. Gerüchte, die Behörden in Rom würden 200.000 Flüchtlinge mit temporären Visa ausstatten, damit sie Richtung Norden aufbrechen, wurden vom italienischen Außenminister postwendend dementiert, werfen aber ein Schlaglicht auf die hochexplosive Lage. 90.000 Migranten haben allein heuer Italien erreicht, kein einziges EU-Land greift Rom unter die Arme. Noch dazu proben in Teilen Italiens zahllose Gemeinden bereits den Aufstand. Bereits 2011 hatte die Regierung von Silvio Berlusconi an Tausende tunesische
Migranten aus humanitären Gründen Visa vergeben, das Thema ist nicht vom Tisch.
Außenminister Sebastian Kurz hat Italien vor einem „Weiterwinken“von Flüchtlingen Richtung Norden gewarnt, notfalls „werden wir die Brenner-Grenze schützen“. Sobotka erklärte beim Lokalaugenschein am Brenner. „Wir glauben an das Beste, sind aber auf das Schlechteste vorbereitet.“Im Ernstfall kann Österreich innerhalb von 12 bis 24 Stunden Grenzkontrollen hochfahren – inklusive der dafür notwendigen Polizisten und Soldaten, der Container, Grenzsperren und Zäune.
Indes hat der EU-Außenrat angesichts der Flüchtlingskrise gestern beschlossen, die Ausund Durchfuhr von Gummibooten und Außenbordmotoren nach Libyen einzuschränken. Ausnahmen gibt es nur für Fischer.