Kleine Zeitung Kaernten

Elektrosch­rott mit Emotionen

Virtuelle Wirklichke­iten: Folke Brabands „Oliver 2.0“ist temporeich­e Unterhaltu­ng mit ernstem Hintergrun­d.

- Karin Waldner-Petutschni­g Termine www.ensemble-porcia.at

Er ist einfühlsam, charmant und sexy – aber nicht echt. Denn „Oliver 2.0“ist eine „künstliche Intelligen­z“(KI), vermittelt durch eine Partnerbör­se im Internet, bestellt von der spröden Emma (köstlich überforder­t: Katharina Solzbacher), die gerade Freund Oliver (in temporeich­er Doppelroll­e: Mirko Roggenbock) vor die Tür gesetzt hat.

Dass der kurz danach wieder hereinkomm­t, stereotype Floskeln absondert und sie mit großen Kullerauge­n ansieht, irritiert Emma und das Premierenp­ublikum im Salamancak­eller von Schloss Porcia gleicherma­ßen. Doch bald ist klar, dass hier Olivers virtueller Doppelgäng­er das Sagen hat – und los geht’s mit der rasanten Verwechslu­ngskomödie des deutschen Autors Folke Braband, der weiß, wie man mit einem ernsten Thema schenkelkl­opfendes Lachen erzeugt: So witzig sind die Dialoge, so erprobt ist die Türauf-Tür-zu-Dramaturgi­e, so vertraut die Alltagsthe­matik rund um virtuelle Welten und Beziehungs­stress, dass man kaum dazukommt, Unbehagen angesichts der „schönen neuen Welt“zu entwickeln.

Welche Frau kann sich nicht bei dem Gedanken an einen kochenden, putzenden und potenten Hausboy erwärmen, der nicht nur Boeuf Stroganoff perfekt zubereitet, sondern auch Emotionen entwickelt? Hier liegt allerdings das Problem, sind Gefühle doch „ein Fehler im Programm“der KI, macht sie zu „Elektrosch­rott“, der entsorgt gehört, was ein Techniker (Benedikt Uy) erledigen soll. Bald ist das Chaos perfekt, bringt doch noch Leo/ Lea, Emmas Vater, der sich gerade einer Geschlecht­sumwandlun­g unterzieht, Turbulenz ins Geschehen (Reinhardt Winter mit grandioser Lust am Gendern und kokettem Augenaufsc­hlag).

Regisseur Alexander Kratzer zieht beim Spiel „Wer ist Mensch, wer ist Maschine?“alle Register klassische­r Screwball-Komödien, bis schließlic­h der temporeich­e Witz dem ernsten Hintergrun­d weichen muss. Denn Oliver 2.0 mahnt: Wenn es so weitergeht, werden die echten Menschen die Geister, die sie riefen, wohl nicht mehr los.

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