Abschied eines Unbeugsamen. Ein Nachruf.
Die tragische Nähe zum Tod wich der Gewissheit. Pop-Hüne Wilfried erlag im Alter von 67 Jahren einem Krebsleiden.
Still wurde es in den vergangenen Jahren um ihn. Dass diese Stille aber bald einem immerwährenden Schweigen weichen musste, offenbarte sich bei einem Interview, das Wilfried vor einigen Wochen der Kleinen Zeitung gab. Ein Anlass dafür hätte sehr erfreulich sein können. Er veröffentlichte sein Album „Gut Lack“. Aber rasch wurde klar, dass es sich dabei um ein musikalisches Vermächtnis handelte. Und um einen letzten Beleg für die enorme Vielseitigkeit.
Denn erstmals sprach Wilfried offen und einigermaßen gefasst über seine Nähe zum Tod. Einen Gehirntumor hatten die Ärzte entdeckt, inoperabel, sein Kopf war okkupiert von Metastasen. „Ich hoffe, dass ich noch ein paar Tage habe. Wenn es Wochen sind, freue ich mich noch mehr“, sagte er. Es blieb bei diesem Wunsch.
Mehr als vier Jahrzehnte lang prägte der gebürtige Oberösterreicher, der 1950 in Bad Goisern zur Welt kam, die Musikszene maßgeblich und immer wieder auf überraschende Weise. Seine Karriere begann in Graz: Die Stadt wurde durch ein EnglischStudium, private Beziehungen und erste, bis heute unvergessliche Auftritte zur Wahlheimat. Rasch handelte sich Wilfried Scheutz, dieser sensible Kraftlackl, den Beinamen „rockende Rampensau“ein. Er fand das gut und passend. Aber die musikalische Schublade, in die er hätte passen können, muss erst gefunden werden.
1973 landete er mit „Mary, oh Mary“seinen ersten Hit, bald danach zeigte er mit „Ziwui, ziwui“seine virtuose Fähigkeit,
Wer immer nachgibt, ist ein Duckmäuser. Und das war ich nie. Diese Haltung ist oft anstrengend und hat mir nicht nur Freunde und Freuden beschert.
Wilfried
die Volks- und Folkmusik mit Rockklängen zu vereinen. Aber Wilfried war längst im nächsten Genre unterwegs, stets auf der Suche nach Neuem, nach Crossover-Musik. Sprunghaft, kreativ, unberechenbar.
Dies belegte auch das erste persönliche Gespräch mit Wilfried. Geführt im Jahr 1974, kurz vor der Veröffentlichung eines seiner besten Alben: „Wilfried – The Crazy Baby“. Mit einer langen Liste an Gastmusikern, von Willi Resetarits über Harri Stojka bis zu Christian Kolonovits. Bei dem Interview hatte Wilfried stets seine reichlich ramponierte Klampfe in der Hand. Er improvisierte vor sich hin und sprang mehrmals begeistert auf: „Wart kurz, ich glaub, da is mir grad a herrliche Melodie eing’schossen.“
Auf dem Album zu finden ist auch das Lied „Run, Rabbit, Run“, das später als „Lauf, Hase, lauf“, zu einer Art Lebenssong und Maxime für Wilfried wurde: Immer unterwegs sein, nie auf der Stelle treten. Er sang bei der EAV, er sorgte mit dem ironischen Mix „Highdelbeeren“für Irritation, er trat im Jahr 1988 mit „Lisa Mona Lisa“beim Song Contest auf und erlebte ein Debakel. Schlimmer als der Schiffbruch war die Häme in seiner Heimat. Aber auch das passte zu einer künstlerischen Laufbahn, reich an Höhen, aber keineswegs ohne Tiefen. Konsequent absolviert von einem bekennenden und praktizierenden Quergeist, der es seinem legendären Rabbit gleichtat – er schlug, unbeirrbar, Haken nach allen Richtungen. Gelungene Auftritte als Schauspieler zählten ebenso dazu wie KabarettAbstecher. Und all seine emotionalen Seiten zeigte er mit der A-cappella-Gruppe 4Xang.
Nur eines wollte Wilfried nie: den Titel „Austropopper“. Davon trennten ihn seiner Ansicht nach Welten. „Schreib doch einfach, dass ich ein Musiker bin, mit Leib und Seele“, sagte er einmal. Gesagt, getan, schweren Herzens. Im Alter von 67 Jahren ist Wilfried für immer verstummt. Und doch ist da vieles, was bleibt. Und läuft.