Die Streitsüchtigen
Zuerst die Türkei, jetzt Italien: Um im Wahlkampf schneidig und furchtlos zu wirken, torkelt Österreich in den offenen Konflikt mit der Außenwelt. Mäßigung täte not.
sterreich soll Haltung zeigen, aber es steht dem Land nicht gut zu Gesicht, sich mit möglichst vielen Staaten, noch dazu Nachbarn, in eine Krawall-Beziehung zu verstricken, nur weil der Krawall daheim gut ankommt. Das soll und darf nicht der Ehrgeiz und die Sendung des Landes sein. Ein Kleinstaat, der seinen Markenkern im Ausgleich und Zusammenführen gefunden hat, sollte mit solchen Blähungen und Überspanntheiten nach außen behutsamer umgehen.
Es ist nicht die Aufgabe Österreichs, die erste und schrillste Stimme bei der Forderung nach einseitiger Beendigung der (ohnehin stillstehenden) Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zu sein. Es schwächt und entmutigt die demokratische Gegenbewegung im Land und stärkt den Despoten und dessen Opfer-Masche. Sie ist in der Mobilisierung sein schärfstes Machtinstrument. Und selbst, wenn die jüngste Verdüsterung für einen endgültigen Bruch spräche: Die Verantwortung für so ein solistisches Vorpreschen ohne Abstimmung mit den europäischen Partnern kann das neutrale Land gar nicht tragen.
Also raus aus der Lichtung und rein in die Gremien der Gemeinschaft! Drinnen, in Gegenwart der anderen, lautstark seine Stimme zu erheben und um ein gemeinsames Vorgehen zu ringen, ist mutiger und redlicher als die medienwirksame Einzelvorstellung im Freien.
Dasselbe gilt auch für den fahrlässig angeheizten Konflikt mit Italien. Ihn herunterzukühlen und zur Mäßigung zurückzukehren, stünde der Regierung gut an. Italien ist mit seiner Außengrenze, die sich nun einmal nicht schließen und sperren lässt wie der Loibl oder der Brenner, bei der Bewältigung der Flüchtlingsströme auf sich allein gestellt. Der Nachbar in Not meistert die humanitäre und administrative Herausforderung untadelig und achtbar, auch wenn Staat und Zivilgesellschaft zusehends an ihre Grenzen stoßen.
In dieser Bedrängnis mit mar- tialischen Drohungen (Panzer!), wohlfeilen Mahnungen und brachialen Empfehlungen von außen konfrontiert zu werden, würde vermutlich jedes noch so robuste Nervenkostüm überstrapazieren. as rechtfertigt nicht die Ausfälle und geschichtsvergessenen Vergleiche des Bürgermeisters von Lampedusa an die Adresse des österreichischen Außenministers. Aber die Verbitterung der Alleingelassenen über das ferne, selbstgefällige Sich-Ereifern des nördlichen Nachbarn kann man nachvollziehen.
Österreich darf nicht noch einmal die traumatische Erfahrung machen, dass seine Grenzen durch den Sog der Ereignisse unter den Augen der Bürger und der ohnmächtigen Exekutive ihre Bestimmung verlieren.
Dazu braucht es ein vorbeugendes Grenzsicherungskonzept und solidarische, europäische Nachbarschaftshilfe im Süden, um Italien bei der Betreuung, Verfahrensabwicklung und den Rückführungen zu unterstützen. Hier sollte Österreich innerhalb der EU vorangehen. Und nicht als Scharfmacher auf der Wahlkampfbühne.
D