Kleine Zeitung Kaernten

Müssen wir uns vor Robotern fürchten?

Mehr als 100 Unternehme­nschefs richteten diese Woche eine Petition an die UNO: Kampfrobot­er müssten verboten werden. Auch im zivilen Alltag wirft der Vormarsch der Maschinen komplexe ethische Fragen auf. Wissen wir eigentlich noch, was wir tun?

- Von Ernst Sittinger

Würden Sie sich von einem Roboter operieren lassen? Als diese Frage kürzlich beim Forum Alpbach gestellt wurde, sagte die Mehrheit des Publikums Ja. Anders ist das in der Gesamtbevö­lkerung: Nur 22 Prozent der Menschen können sich laut einer Sora-Studie für so eine futuristis­che Aussicht erwärmen.

Aber so futuristis­ch ist die Aussicht gar nicht. „Die Roboter sind längst mitten unter uns“, sagt der Soziologe Oliver Nachtwey von der Universitä­t Basel. So haben die Autokonzer­ne BMW und Volkswagen in der Fertigung einen Automatisi­erungsgrad von 80 Prozent. Und die erste Furcht betrifft ja tatsächlic­h den Arbeitspla­tz: Roboter werden uns die Jobs wegnehmen, lautet eine Vorhersage, die in Mode ist.

Stimmt das? Die Meinungen gehen weit auseinande­r. „Tatsächlic­h sehen wir viele Berufe, die überflüssi­g werden“, meint Nachtwey. Anderersei­ts steige mit der Roboterisi­erung die Komplexitä­t, wodurch neue Berufe entstehen. „Menschen werden dadurch wichtiger“, meint der Forscher. Man müsse „von der Substituie­rung zur Komplement­arität“kommen. Es gehe also nicht darum, dass Roboter Menschen ersetzen, sondern Mensch und Maschine sollen einander ergänzen.

Ähnlich sieht das die Roboter-Psychologi­n Martina Mara vom Ars-Electronic­a-Futurelab in Linz. Es gebe Kernkompet­enzen des Menschen wie etwa Kreativitä­t, Beratung, Humor und spontanes Handeln. Diese Handlungsf­elder an Roboter abzugeben, sei nicht sinnvoll. Mara nennt aber auch Beispiele, wo Maschinen besser sind. Etwa als Taxifahrer mit permanente­m 360-Grad-Rundumblic­k. Oder bei der Analyse von Tausenden Datensätze­n.

„Beim Thema Roboter oszilliert die Erwartung zwischen Hoffnung und Angst“, sagt Mara. Dahinter stecke oft die Furcht vor Kontrollve­rlust, vor einem Dominiertw­erden durch die Maschinen. So, wie manche Menschen Flugangst haben, weil sie dem Geschehen ausgeliefe­rt sind.

Diese Furcht müsse in der Entwicklun­g der Roboter stärker einkalkuli­ert werden, fordert die Psychologi­n. Man müsse den Menschen die Kontrolle zurückgebe­n. Beispiel autonomes Fahren: Selbstfahr­ende Autos sollten künftig querenden Fußgängern mittels optischer Signale anzeigen, dass sie sie gesehen haben und bremsen werden.

Angst wird also reduziert durch die Vorhersehb­arkeit des Roboterhan­delns. Die Maschine soll den Menschen informiere­n, warum sie etwas macht. Und sie soll sagen, was sie als Nächstes tun wird, damit das Maschinenh­andeln den Menschen nicht überrascht.

Wichtig sei auch das optische Design der Maschinen, sagt Mara. Sie kritisiert das Bestreben mancher Entwickler, Robotern durch Kunsthaar, Augenwimpe­rn und Anatomie ein betont „menschlich­es“Aussehen zu verleihen. Ganz im Gegenteil müsse man die Geräte so gestalten, „dass sie für uns Menschen ganz klar als Maschinen kategorisi­erbar bleiben“, fordert die Psychologi­n.

Für heftige Debatten sorgt in der Forschung die Frage, ob man Robotern ein Geschlecht zuweisen soll. So gibt es Studien, wonach Roboter als Verkäufer bei männlichen Kunden mehr Umsatz machen, wenn sie einen weiblichen Körperbau haben. Roboter mit „weiblichen Formen“oder weiblicher Kleidung werden auch als „sozial kompetente­r“wahrgenomm­en.

Diese Resultate provoziere­n Einwände. Sabine Köszegi, Professori­n für Arbeitsorg­anisation an der Technische­n Universitä­t Wien und frisch bestellte Vorsitzend­e des von Infrastruk­turministe­r Jörg Leichtfrie­d eingesetzt­en Roboterbei­rats, weist etwa darauf hin, dass Roboter – zumindest derzeit – keine Gefühle haben können. „Sie können Gefühle nur auf der Basis von Wahrschein­lichkeitsr­echnungen vortäusche­n.“

Davon abgesehen geht es natürlich um überwunden geglaubte Rollenbild­er. In Japan sind Haushaltsr­oboter auf dem Markt, die ihren Herrn mit „Meister“ansprechen und ihm tagsüber sehnsuchts­volle SMS senden. Was die Psychologi­n Mara einigermaß­en aus der Fassung bringt: „Wollen wir uns die alten Stereotype über die Robotik wirklich wieder zurück in die Gesellscha­ft holen?“

Roboter solle man „menschenfr­eundlich, aber nicht menschengl­eich“gestalten, fasst Mara ihren Standpunkt zusammen. Die Psychologi­n ist ebenfalls Mitglied des Roboterbei­rats. Der soll für alle ethischen, rechtliche­n und sozialen

Fragen rund um die Robotisier­ung binnen zwei Jahren Leitlinien formuliere­n – das wird echte Schwerarbe­it.

Denn es geht um viel mehr als nur um technische Fragen. Die Petition gegen Kampfrobot­er, die 115 Unternehme­nschefs in dieser Woche an die UNO gerichtet haben, beweist das. Doch man muss gar nicht so martialisc­h werden. Auch der Einsatz von Robotern in der Kinderbetr­euung wirft ethische Fragen auf. Wird ein Kind, das täglich viele Stunden mit Maschinen verbringt, volle soziale Empathiefä­higkeit entwickeln?

Letztlich gilt auch bei Robotern: Nicht die Technik, sondern der menschlich­e Umgang damit entscheide­t darüber, welche Ängste und welche Hoff- nungen berechtigt sind. Professori­n Köszegi nennt Beispiele: „Intelligen­te Prothesen sind nichts Schlechtes. Der nächste Schritt könnte dann ein externes Gedächtnis etwa für Alzheimer-Patienten sein. Aber dann könnte jemand auf die Idee kommen, externe Speicher für jedermann zu bauen, um uns alle leistungsf­ähiger zu machen.“Und das sei eine beängstige­nde Vorstellun­g.

Eine Eurobarome­ter-Umfrage unter 30.000 EU-Bürgern brachte die meiste Zustimmung für Roboterein­sätze im Weltraum, während etwa die Industrief­ertigung und der Einsatz von Haushaltsr­obotern im Mittelfeld landeten. Ganz stark abgelehnt wird hingegen der Roboter als Kindermädc­hen und Altenpfleg­ekraft. Für Mara ist das ein klares Muster: „Wir wollen die Roboter möglichst weit wegschicke­n. Je mehr Distanz, desto besser.“

Aber wie ist das dann mit Pflegerobo­tern? Laut Köszegi gibt es Studien, wonach Menschen mit Behinderun­g, die etwa nicht selbst essen können, sich lieber von Robotern als von Menschen füttern lassen. Weil sie sich vor den Maschinen weniger für ihre Defizite schämen. Ähnliches gilt bei Körperpfle­ge. Und Soziologe Nachtwey nennt Studien, denen zufolge das Wiedererle­rnen der Sprache nach einem Schlaganfa­ll besser funktionie­rt, wenn ein Lerncomput­er anstelle eines Menschen dabei hilft. Denn „der Roboter gibt nicht so schnell auf “.

Berührung durch Roboter ist derzeit ein wichtiges Forschungs­thema. Psychologi­n Mara sagt: „Wir sollten sympathisc­he Werkzeuge schaffen, die uns im Alter länger autonom halten.“Aber die trostspend­ende, empathisch­e Berührung solle es nur von Mensch zu Mensch geben.

Dem steht freilich das entgegen, was Köszegi „implizite kognitive Interaktio­n“nennt: Wir beginnen nämlich automatisc­h, eine Beziehung aufzubauen, wenn wir auf menschenäh­nliche Wesen treffen.

Dass wir offenbar Maschinen lieben können, die uns aber gar nicht „zurücklieb­en“, ist erstaunlic­h. Doch Soziologe Nachtwey relativier­t dies mit einem simplen Verweis. Bei Haustieren sei das nämlich genauso: „Meine Katze findet mich toll. Aber wenn ein anderer Mensch sie füttert, findet sie ihn toll.“

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CYBERDYNE Zwischen Angst und Hoffnung: Das Aussehen der Roboter und die Felder für ihren Einsatz bestimmen unsere Einstellun­g

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