Die Mauer
Aufregung um den Bau zweier Mauern am Ballhausplatz zum Schutz vor Anschlägen. Am Eingang zur Kärntner Straße gibt es keine Barrieren.
Für helle Aufregung sorgt der Bau einer Mauer am Ballhausplatz. Sie dient dem Schutz des Kanzleramts. Ähnliche Barrieren sucht man am Eingang zur Kärntner Straße vergeblich.
Wien war eine Insel der Seligen – bisher. In fast allen europäischen Hauptstädten sind Präsidentschaftskanzleien, Regierungssitze und wichtige Ministerien schwer bewachte Areale. Versenkbare Rampen, Betonkisten, Eingangsschleusen und zumeist mit Maschinenpistolen bewaffnete Beamte schützen die Amtsträger vor Anschlägen und ungebetenen Gästen, nicht selten sind die Zufahrtswege weiträumig abgesperrt.
Dass man auf dem Weg zum Staatsoberhaupt, zum Regierungschef, auch zum Außenminister keinen Metalldetektor passieren muss, das gibt es nur in Wien. Dass man sein Auto unterhalb des Balkons des Kanzlers kurz abstellen kann, ohne gleich vertrieben zu werden, ist wohl im restlichen Europa ein Ding der Undenkbarkeit. In einem Punkt hat man zumindest Vorkehrungen getroffen: Die Büros des Kanzlers und des Bundespräsidenten sind mit Panzerglas versehen, Bundespräsident, Kanzler und Innenminister genießen Personenschutz.
Nun sorgt der Bau zweier je 80 Zentimeter hoher Mauern am Ballhausplatz für helle Empörung. Eine rund 40 Meter lange Betonsperre direkt unter dem Büro des Kanzlers und dem Sitzungssaal des Ministerrats soll verhindern, dass ein mit Sprengstoff geladenes Auto zufahren kann. Ähnliches ist vor der sogenannten Bellaria, dem Vorbau des Leopoldini-
schen Trakts, geplant. Zusätzlich zu den Mauern sollen am Ballhausplatz mehr als ein Dutzend bewegliche bzw. fixe Poller in die Erde gerammt werden.
Die Aufregung entzündet sich zum einen an der Idee einer Mauer – obwohl der Ballhausplatz noch Baustelle ist, bisher nur die Fundamente errichtet wurden und niemand die Endausbaustufe, also die optische Ausgestaltung, kennt. Im Innenministerium erklärt man dazu, die in Bau befindlichen Schutzmaßnahmen im Regierungsviertel in der Wiener Innenstadt gingen auf Planungen aus dem Jahr 2014 zurück. Die Mauer sei auf Wunsch der Präsidentschaftskanzlei und des Kanzleramts errichtet worden, beim Innen- und Außenamt habe man sich für versenkbare Poller entschieden.
Tatsächlich wurden bereits vor Monaten solche Poller in der Herrengasse, wo das Innenministerium residiert, in den Boden eingelassen. Am Ballhausplatz weist man die Version, Kanzler und Bundespräsident wollten sich im Unterschied zu Außen- und Innenminister einmauern, zurück und erklärt, die Konzeption basiere auf den Empfehlungen der Sicherheitsbehörden. Die Kosten für den Anprallschutz in Höhe von 325.000 Euro werden vom Kanzleramt, der Burghauptmannschaft (für die Präsidentschaftskanzlei) und von der Gemeinde Wien übernommen.
Ungewöhnlich ist allerdings, dass vor dem Hintergrund der Anschläge in Nizza, Berlin, Stockholm und auch Barcelona, wo Attentäter mit Fahrzeugen in der Fußgängerzone Massaker angerichtet hatten, keine Barrieren an der Einfahrt zur belebten Kärntner Straße errichtet werden – angeblich, weil es noch kein Einvernehmen mit den Anrainern und den Geschäftsinhabern gebe. Indes fordert der Rektor der Angewandten, Gerald Bast, einen „sofortigen Baustopp“. Den Mauerbau sieht er „ohne Bezug zu realen Bedrohungen“, er sei eine „städtebauliche Schandtat erster Klasse“.