Teamchef-Suche mit sehr strengen Auflagen
ANALYSE. Österreichs Fußballteam ist nun mindestens 24 Jahre ohne WM, so eine lange Durststrecke gab es noch nie. Entscheidung über Koller bis 15. September. Aber es gilt, sorgfältig Alternativen zu prüfen.
Das war es also. Wie immer seit der Teilnahme 1998 muss Österreichs Fußballteam auf eine WM verzichten. Die Pause dauert dann mindestens 24 Jahre und ist somit die längste für dieses Land seit der Einführung der globalen Titelkämpfe 1930. Dies steht im krassen Widerspruch zum kollektiven Aufschwungsgefühl, das die Ära Marcel Koller gekonnt vermittelte und in der erstmaligen sportlichen Qualifikation für eine EM gipfelte. Die Bilanz des Schweizers ist damit, nüchtern betrachtet, keine übermenschliche. Zwei WM-Endrunden (Brasilien und Russland) wurden verpasst, das haben andere Teamchefs auch geschafft, ungeachtet der zweifellos beachtlichen Verdienste Kollers um die Nationalmannschaft. Ob es ein Vermächtnis ist, wird sich in den kommen- den Wochen entscheiden, aber viel deutet auf Abschied hin.
Es wird bald ein Gespräch mit dem noch amtierenden Teamchef geben, der Termin steht noch nicht fest, das Ergebnis wird dem Präsidium am 15. September präsentiert. Dann sollte zumindest Klarheit über Koller herrschen. Beide Seiten werden ihre Vorstellungen präsentieren. Sagt Koller, dass er von sich aus den Hut nimmt, wird nicht mehr um den 56-Jährigen gekämpft werden. Das ist ein Unterschied zu 2015, als Koller zwischen Österreich und dem Team seiner Heimat, der „Nati“, wählen konnte und sich für Rot-Weiß-Rot entschied. Dieser neue Vertrag wurde ihm aber finanziell ordentlich abgegolten. Sollte der Schweizer nicht gleich eine Verzichtserklärung abgeben, würde er auf dieser Ebene aber
wohl Abstriche in Kauf nehmen müssen. Zudem müsste er glaubwürdig vermitteln können, dass er sich in der Lage sieht, aus dem vorhandenen Spielerreservoir das herauszuholen, was in dieser WM-Qualifikation nicht gelang, nämlich Tore zu schießen und Punkte zu sammeln. Derzeit hat sich Stagnation eingeschlichen, denn, abgesehen von gefühlter Überlegenheit, ist es nicht gelungen, Mannschaften, die vor Beginn des WM-Aufnahmeverfahrens deutlich hinter Österreich lagen, entscheidend auszuspielen. Das darf bei aller Wertschätzung für die spielerische Aufwärtsentwicklung nicht übersehenU werden. nabhängig vom Verlauf der Unterredung mit Koller wird/muss sich der ÖFB um Alternativen bemühen und daher unverzüglich die Kandidatensuche aufnehmen. Das Anforderungsprofil an einen potenziellen Anwärter ist ziemlich klar umrissen. Er muss der deutschen Sprache mächtig sein, Erfolge auf internationaler Ebene als Cheftrainer vorweisen und analog zu Koller 2011 eine konkrete Vision vom Fußball haben. Er darf den Nationalteamchef-Job nicht als Altersversorgung betrachten, sollte aber auch nicht zu jung sein. Eine Verlegenheitslösung ist undenkbar, und der bei jeder Personaldiskussion genannte Andreas Herzog erfüllt die genannten V Kriterien eher nicht. on den Österreichern kämen daher derzeit wohl nur Peter Stöger (1. FC Köln) und Ralph Hasenhüttl (Leizpig) infrage, aber angesichts des Gehaltsschemas in der deutschen Bundesliga ist ein Engagement unrealistisch. Der – auch von der Philosophie her – bestens geeignete Ex-Salzburg-Trainer Roger Schmidt ist in China noch besser versorgt und auch einen Topmann wie Ex-Dortmund-Coach Thomas Tuchel wird sich der ÖFB nicht leisten können. Also muss wieder ein Mann aus dem deutschen Sprachraum aus dem Hut gezaubert werden, vielleicht ein „Konzept-Trainer“wie Schmidt, etwa Ex-Leipzig- und -Stuttgart-Betreuer Alexander Zorniger (derzeit Bröndby). Oder E doch wieder Koller. ine Entscheidung in den kommenden drei Wochen ist wünschenswert, denn die beiden Oktober-Spiele sollten bereits der Vorbereitung auf die nächste Qualifikation dienen. Eine Interimslösung mit Sportdirektor Willi Ruttensteiner wäre reine Zeitverschwendung.