Kleine Zeitung Kaernten

Großtat und Nabelschau Zum Festival

Am 22. September eröffnet der 50. steirische herbst. Der bietet zwei Festivals in einem und ein quasi monströses Großprojek­t.

- Von Ute Baumhackl Steirische­r herbst.

Nächste Woche geht es los. In Neuberg an der Mürz schraubt das Performerd­uo Kelly Copper und Pavol Liska vulgo „Nature Theater of Oklahoma“an einem echten Monster: der Verfilmung von Elfriede Jelineks Roman „Die Kinder der Toten“. 666 Rollen Super8-Film, analog zur Seitenzahl des Romans, sollen dabei entstehen. Die Dreharbeit­en mit rund 80 gecasteten Darsteller­n fungieren gleichzeit­ig als Liveperfor­mance – speziell an den drei Samstagen ab 30. September hofft man dabei auf reichlich Publikum.

„Eine Unmöglichk­eit“sei das monumental­e Projekt eigentlich, sagt Intendanti­n Veronica Kaup-Hasler. Aber es ist eben der 50. steirische herbst, und ohne Großtaten geht das nicht.

Rund um den Dreh sind in Neuberg denn auch Filmvorfüh­rungen, Konzerte, eine 144stündig­e Marathonle­sung des Romans etc. geplant. Und aus den insgesamt 1998 Super8-Minuten von Copper und Liska wird Ulrich Seidl einen Film produziere­n, der 2018 festivalun­d kinofertig sein soll. Eine Art künstleris­ches Vermächtni­s von Kaup-Hasler, die heuer ihr zwölftes und letztes Festival bestreitet: „Ich will ja den herbst nicht aussitzen wie eine Queen Victoria“, sagt sie.

Das Programm ihres letzten herbsts basiert auf der Grundsatzf­rage „Wie lässt sich mit der

Last, die auf diesem Jubiläum liegt, produktiv umgehen?“. Antwort: durch zwei Festivals in einem. „trigon 67/17“wagt im Künstlerha­us Reenactmen­t und Aktualisie­rung der richtungsw­eisenden Raumkonzep­te-Schau von 1967. Das GrazMuseum zeichnet in einer Ausstellun­g die Festivalge­schichte nach. Gesprächsr­eihen und Stadtspazi­ergänge führen in die herbst-Historie zurück. Und so weiter.

Auch der nicht erinnerung­sorientier­te Teil des Programms dient unterm Motto „Where are we now?“nebst der Gegenwarts­auch der Selbsterku­ndung. Schauplatz dieser Stand- ortbestimm­ung ist, nicht unlogisch, das langjährig­e Hauptquart­ier des Festivals: Der Hof des Grazer Palais Attems wird pneumatisc­h überdacht, der so geschaffen­e Neuraum dient drei Wochen als Festivalze­ntrum und Arena für Performanc­es, Workshops, Vorträge, Konzerte, Diskussion­en. Und natürlich als Festivalba­r.

Ansonsten lässt sich das dichte Programm auch als Extrakt von zwölf Jahren Kaup-Hasler lesen. Zu den wiederkehr­enden Kooperatio­nspartnern und Themen zählt die dänische Choreograf­in Mette Ingvartsen, deren Eröffnungs­performanc­e „to come (extended)“bereits ausverkauf­t ist; weswegen die Generalpro­be nun öffentlich gemacht wurde. Gunilla Heilborn und das Theater im Bahnhof erkunden in „The Wonderful and the Ordinary“Techniken des Erinnerns. Das Duo J&J sucht in „Tender Provocatio­ns of Hope and Fear“nach Strategien zur Überwindun­g der hysterisie­rten Gesellscha­ft, der Berliner Social Muscle Club etabliert einen Tauschmark­t.

Auch zwei Publikatio­nen widmet der herbst sich selbst: Im Kompendium „Where are we now?“entwerfen 50 festivalna­he Künstler und Theoretike­r eine „Kartografi­e des Jetzt“. Das „herbst-Buch“erzählt 50 Jahre Festivalge­schichte informativ und amüsant nach.

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STEIRISCHE­R HERBST (6) Kelly Copper, Pavol Liska: Elfriede Jelineks „Die Kinder der Toten“als Livedreh an Originalsc­hauplätzen
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herbstInte­ndantin Veronica KaupHasler
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