So lief es auf und hinter der Bühne in Spielberg.
Die Rolling Stones in Spielberg. Noch nie haben die glorreichen Vier so falsch geklungen und liegen damit so goldrichtig.
ter, ein charismatischer Talkmeister auf hohem Niveau, der auch Kenntnis darüber hat, in welchem Land er sich gerade befindet. Jagger weiß, dass Österreich im Oktober wählt, er begrüßt in (fast) perfektem Deutsch die Fans aus Wien, Graz, Knittelfeld, der Slowakei und Slowenien – und fragt zwischendurch: „Wo sind meine Gummistiefel?“Die braucht er selbst nicht, das Fußvolk dafür umso dringender. Aber das ist eine andere Geschichte.
So matschig der Boden dort unten ist, so erdig der Sound dort oben. Es rumpelt, es ruckelt, es rockt, es rollt. Das ist dreckiger Rhythm and
Wo sind meine Gummistiefel?
Mick Jagger
Blues in Reinkultur. Das ist die coole Perfektion des Unperfekten. „Paint It Black“ist schwarze Magie pur, bei „Miss You“wird das ganz große DiscoKino der 70er-Jahre aufgefahren, „Under My Thumb“ist eine laszive Hüftgranate, und „Midnight Rambler“, der Höhepunkt dieser lässigen Rockparty, gerät zum taumelnden, wilden Rumpler, der sich in orgiastischen Kaskaden durch die Nacht schleppt.
Die Rolling Stones waren – im Gegensatz zu den späten Beatles – nie Konzeptkünstler. Ihr einziges Konzept war, keines zu haben. Nach 55 Jahren ist die Band wieder dort angelangt, wo sie begonnen hat: beim Blues. Und dessen Schönheit wurzelt bekanntlich im Sumpf der menschlichen Unzulänglichkeiten. Aber man muss schon sehr gut sein, um so falsch klingen zu können.
Immer wieder galoppieren in Spielberg die Musiker wie wilde Pferde aneinander vorbei. Keith Richards, dieser liebenswerte Freibeuter der Meere und Herzen, nagelt ein schräges Riff nach dem anderen an die Wand. Noch so ein magischer Moment: Der VoodooZausel krächzt ein paar unverständliche Worte in die Menge und greift sich dann ans Herz. „To the heart“, sagt er. Und es klingt nicht nach glatter Pose. Ron Wood, nach Krebserkrankung gezeichnet, aber dennoch laufstark, ist der verschmitzte Lausbub und verlässliche Rhythmuskönig. Und Charlie, ja, unser Charlie Watts, ist der Fels in der Brandung, der steinerne Stoiker, der den Takt angibt und auch hält – ein Solo wäre dem Jazz-Aficionado ein peinliches Gräuel. Nur im Mittelteil des zweistündigen Konzertes schleicht sich etwas Routine ein, doch gegen Ende des Abends lassen es die Straßenkämpfer wieder richtig krachen. Mit „Brown Sugar“wird kräftig umgerührt, „Satisfaction“ist eine unkaputtbare Hymne, „Gimme Shelter“und „Jumpin’ Jack Flash“als Zugaben sind prächtige Schlusssteine der mächtigen Perlenschnur.
„Please allow me to introduce myself, I’m a man of wealth and taste.“Vorstellen müssen sich die Herren nicht mehr, und dass sie für nicht nur für Wohlstand, sondern auch für Geschmack stehen, haben sie einmal mehr bewiesen. „Bis bald“, meinte Sir Jagger zum Abschluss. Gerne!
Es gab einige denkwürdige Momente bei diesem Konzert in Spielberg Samstagabend, aber es gab einen besonders magischen Augenblick, der tatsächlich nur so kurz gedauert hat, einen AugenBlick nämlich: Als Mick Jagger am Ende der PublikumsWunschnummer „She’s a Rainbow“die Akustikgitarre ablegte, zuckte er spontan die Schultern und strahlte ein unverschämt ehrliches, nicht einstudiertes Lächeln in die Menge. Und dieses Lächeln hat gesagt: Ja, dieser Song ist 50 Jahre alt, aber wir haben ihn noch immer drauf. Ja, uns hat der Zeitenlauf geschunden, aber auch nach 55 Jahren sind wir weder uns noch dem Publikum etwas schuldig geblieben. Ja, wir sind schon etwas ältere Herren, aber fragt man je einen Dichter, ob er nicht endlich den Stift beiseitelegen möchte, oder einen Maler, ob er nicht am Ende des Regenbogens angekommen ist? Und, ja, natürlich plündern wir die Archive, aber es sind unsere eigenen, und es sind Archive des Bleibens, des Überlebens in Kraft und Würde.
Kraft und Würde, diese beiden Worte könnte man auch über die aktuelle „No Filter“-Tour der Rolling Stones legen. Ungefiltert, unverfälscht, unverkrampft, so haben sich die Herren Jagger, Richards, Wood und Watts auch Samstagabend in Spielberg gezeigt. „Please allow me to introduce myself, I’m a man of wealth and taste.“Zu den Ewigkeitsklängen von „Sympathy for the Devil“tänzelt die Gazelle Mick Jagger auf Bühne und Laufsteg. Ein genialer Zeremonienmeis-