Was heißt „Sei ein Mann“?
Geschlechterfragen können bei Nationalratswahlen wohl kaum überzeugende Wahlargumente sein.
Eine Grün-Wählerin ärgert sich derzeit über den Slogan ihrer eigenen Partei. Im Grunde ist es mehr als Ärger. Der Aufruf der Grünen „Sei ein Mann: Wähl eine Frau“sei, meint sie, weder witzig noch provokant, er sei „völlig daneben“. Immerhin hätten die Grünen wirklich gute Argumente auf ihrer Seite, könnten mit sozialem Engagement aufwarten, seien weit glaubwürdiger als andere Parteien, würden sich im Vergleich zu anderen nicht nach dem jeweiligen Meinungswind drehen und, und, und. die Frage, was sich die Grünen da wirklich gedacht haben. Man soll die Stimme deshalb einer Partei geben, weil die Nummer eins Busen und Gebärmutter aufweist und nicht dem männlichen Geschlecht angehört? Und was heißt „Sei ein Mann“? Da wird Mann of- fensichtlich mit Mut gleichgesetzt: „Du bist ein Mann und daher mutig und deshalb trau dich.“Womit sich manche Feministin fragen wird, ob da wieder kräftig das Stereotyp Frau = lieb + sanft und Mann = mutig + durchsetzungsfähig bemüht wird. Und was ist mit Frauen? Folgt der Spruch „Sei eine Frau: Wähl eine Frau“in einer zweiten Kampagne? Als ob sich jemand bei einer Nationalratswahl einer Geschlechterhaftung unterwerfen würde. Wer Erbschaftssteuern ablehnt, wird nicht wegen einer weibliBleibt chen Spitzenkandidatin die Grünen wählen, die Erbschaftssteuern fordern. Wer für die Deckelung der Mindestsicherung eintritt, ebenfalls nicht.
Geschlechtersolidarität gab es bekanntlich nicht einmal bei der Bundespräsidentenwahl, die sich im Gegensatz zu Nationalratswahlen noch eher dafür geeignet hätte. Aber bei der Bundespräsidentenwahl ist es keiner Grünen/keinem Grünen eingefallen, österreichweit aufzurufen: „Sei ein Mann: Wähl eine Frau!“, oder: „Sei eine Frau: Wähl auch eine Frau!“