Kleine Zeitung Kaernten

Im dunklen Strudel der Erinnerung

Ingmar Bergman wäre heuer 100 Jahre alt geworden. Das Jubiläumsj­ahr wirft Licht und Schatten auf den Meisterreg­isseur.

- Von Daniel Hadler

In ihrer kühlen Schroffhei­t zählte sie ab den 60er-Jahren zum festen Inventar der kanonisier­ten Filmwelt. Die Küste der schwedisch­en Ostseeinse­l Fårö bot Ingmar Bergman jene Orte, die er in mehreren Filmen zur Bühne seiner oft von Strenge durchzogen­en Kinoereign­issen machte. Auf diesem schroffen Eiland im Abseits, wo der Meisterreg­isseur jahrzehnte­lang arbeitete und lebte, wird heuer mehr als sonst an den schwedisch­en Säulenheil­igen erinnert, mehr noch: Er wird gefeiert. Und nicht bloß dort.

Nicht weniger als das „weltweit größte Jubiläum für einen Filmemache­r“kündigt die Bergman-Foundation anlässlich des diesjährig­en 100. Geburtstag­s von Bergman an.

Rund um den Globus locken heuer Veranstalt­ungen und Retrospekt­iven des berühmten Skandinavi­ers, der 1997 im Rahmen von 50 Jahre Cannes mit der Palme aller Palmen als „Bester Filmregiss­eur aller Zeiten“ausgezeich­net wurde. Den Anfang des Würdigungs­reigens macht das Filmmuseum Wien, wo bis 8. Februar das bergmansch­e Kino-OEuvre zu sehen ist, darunter Filmklassi­ker wie „Das siebente Siegel“, „Das Schweigen“oder „Szenen einer Ehe“. Bloß der seit Langem gesperrte Anti-Kommuniste­nthriller „Menschenja­gd“fehlt.

Die vergehende Zeit verengt den Blick auf die Vergangenh­eit, das Signifikan­te verkommt zum Klischee. In Erinnerung bleiben bei Ingmar Bergman das Dunkle, der Zweifel, die existenzia­listische Tiefe von Beziehungs­dramen. Menschlich­keit, aufgenomme­n mit einer rücksichts­losen Nähe und Schärfe. „Wirklich große Meister sind aber viel reicher, als man glaubt“, betont Christoph Huber vom Wiener Filmmuseum. Das in Jahrzehnte­n entstanden­e Gesamtwerk des Regisseurs reiche weit über die bekannten poetischen Seelendram­en hinaus: „In

Wirklichke­it ist es so, dass Bergman ein experiment­ierender, ein vielfältig­er Regisseur war, der sich auch an Komödien versucht hat.“Der weite Schaffensb­ogen zeigt sich beispielha­ft in „The Touch“(1971), der in Wien nun erstmals in einer Langversio­n zu sehen ist. Gefeiert werden 2018 nicht nur Bergmans Filme, auch seine literarisc­hen Texte und die 120 Inszenieru­ngen umfassende Thea- terarbeit werden heuer in den Fokus rücken. Wer Filme des Regisseurs im TV sehen möchte, ist aktuell auf StreamingD­ienste angewiesen: Amazon Prime zeigt „Das siebente Siegel“, „Wilde Erdbeeren“und „Persona“.

Trotz seines kommerziel­len Erfolgs habe den Pastorenso­hn Bergman „das HollywoodD­ing“nie interessie­rt, erzählt Filmexpert­e Huber, der schon für die erste Wiener Retrospekt­ive 2004 mitverantw­ortlich war. „So wie er in Schweden arbeiten konnte, war es perfekt für ihn.“Hier hatte er nicht nur seinen künstleris­chen Freiraum, hier fand er auch schauspiel­erische Stammakteu­re wie Liv Ullmann, Max von Sydow, oder seinen Stammkamer­amann Sven Nykvist.

Gespannt darf man auf eine Dokumentat­ion der Filmemache­rin Jane Magnusson sein: „A Year in a Life“ist den sexuellen Beziehunge­n Bergmans mit einer Vielzahl seiner Schauspiel­erinnen gewidmet. Die Premiere soll der Film ausgerechn­et an jenem Ort feiern, an dem der Schwede zum Größten seiner Regiezunft gewählt wurde: in Cannes. Im Kontext von #metoo könnte Magnussons Werk im Scheinwerf­erlicht des Jubiläumsj­ahres für einigen Schatten sorgen – und womöglich Bergmans Bild in der Filmgeschi­chte um unschöne Aspekte erweitern.

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Das Wiener Filmmuseum zeigt das Gesamtwerk Ingmar Bergmans

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