Der Maler Hans Staudacherwird95. Ein Atelierbesuch.
Hans Staudacher, einer der wichtigsten Vertreter der österreichischen Nachkriegsmoderne, wird 95. Ein vergnüglicher Atelierbesuch.
Bereits sein Name ist Programm. „Stau“stehe für den inneren Stau an Erinnerungen, die er durchs Malen loszuwerden versuche, „da“für seine dadaistische Gesinnung und „cher“bedeute schlichtweg „lieb“, sagte Hans Staudacher einmal über sich selber.
Lieb und witzig ist der bedeutende Künstler, der am Sonntag seinen 95. Geburtstag feiert, bis heute geblieben. Nur der innere Stau hat sich mittlerweile gelöst. Wann er eigentlich sein letztes großes Bild gemalt habe? Der leicht schwerhörige Maler gibt die Frage an Gattin „Uschi“weiter, die eigentlich Hannelore heißt, aber seit 60 Jahren nach ihrem Mädchennamen Uschnig verballhornt wird. „Das ist sicher schon zehn Jahre her“, sagt die 82-Jährige, der man das fortgeschrittene Alter ebenso wenig anmerkt wie dem agilen Jubilar. In dessen Atelier in der ehemaligen Anker-BrotFabrik in Wien-Favoriten wird daher nur noch selten gearbeitet, sondern in erster Linie Besuch empfangen, die eine oder andere Virginia geraucht und die Ausbeute eines langen Künstlerlebens archiviert.
Bereits als Bub hatte der Eisenbahnersohn aus St. Urban am Ossiacher See seine Freude damit, Schulbänke oder Erdäpfelsäcke zu bemalen. Als Staudacher an einem Weihnachtsabend aus dem Krieg heimkehrte, sperrte er sich eine Woche lang ein, um zu verdauen, was er als Soldat erlebt hatte. Damals entstanden rund 250 Tierbilder. „Er hatte von Kindheit an künstlerischen Handlungsbedarf“, diagnostizierte einmal sein langjähriger kunsthistorischer Weggefährte Peter Baum. Auf Landschaften, Porträts und gegenständliche Motive wie Pferde und „Pippalan“folgten 1951 erstmals tachistische Pinselhiebe, die den mittlerweile nach Wien übersiedelten Kärntner im Fahrwasser eines Georges Mathieu und Hans Hartung („das war meine Volkshochschule“) zu einem Meister des „Lyrischen Informel“, „Dadaismus“, „Action Painting“oder der „Écriture automatique“heranreifen ließen – allesamt Begriffe, mit denen der „Schnelle Hans“bis heute nicht viel anzufangen weiß.
Obwohl bereits 1956 von Josef Hofmann auf die Biennale nach Venedig entsandt, gelang es dem Autodidakten erst relativ spät, im Kunstbetrieb Fuß zu fassen. Noch mit 50 ernährte er seine Familie mit Gelegenheitsjobs, etwa mit dem Reinigen von Teppichen. Mittlerweile erzielen die Werke von Staudacher Spitzenpreise und erfreuen sich auch unter Fälschern zunehmender Beliebtheit. Erst kürzlich musste der Maler bei einer Gerichtsverhandlung in Linz aussagen, weil sich wieder einmal ein Betrüger in seiner Malweise versucht hatte. „Fälschungen kann ich relativ leicht an der Signatur erkennen“, verrät Staudacher, den nach seinen Kriegserlebnissen, einer lebensbedrohlichen Krankheit und dem frühzeitigen Tod seines Sohnes nichts mehr erschüttern kann. Im Gegenteil: Der Künstler und seine Werke strahlen eine Heiterkeit aus, die fast schon ansteckend wirkt.
Von einem Gemälde in seinem Atelier hängt beispielsweise ein kleiner Teddybär herab. „Dieses Bild hätte er schon mehrmals verkaufen können“, erklärt Gattin Uschi dem überraschten Betrachter. Doch der verspielte wie eigensinnige Maler hängt an seinen Werken. Längst vorbei die Zeiten, als er beim Zahnarzt, beim Friseur oder Beisl ums Eck in Naturalien bezahlte. So mancher hat daraus Profit geschlagen „und aus einem Staudacher-Bild gleich zwei gemacht“, wie Tochter Ursi zu berichten weiß.
Es gab aber auch Zeiten, da zerstörte der Maler seine Gemälde
selbst, etwa aus Protest nach einer erfolglosen Ausstellung in der Wiener Secession. Solche Aktionen und diverse Happenings, bei denen er mit verschiedenen Materialien wie Holz oder Lumpen experimentierte, haben dem „Fechter mit dem Pinsel“auch das Etikett eines „Aktionisten“eingetragen. Dabei ist Staudacher eigentlich ein Gentleman, der seine Arbeiten stets mit einer gewissen ironischen Distanz betrachtet. Tenor: „Es schaut sehr leicht aus, ist aber sehr schwer zu machen. Man muss halt immer wissen, wann man aufhört.“Für das gemeinsame Erinnerungsfoto wirft sich der Maler noch einmal so richtig in Pose, setzt sich sein typisches Käppi auf und grinst verschmitzt in die Kamera. Eine Virginia hat er sich ebenfalls angezündet, um zu demonstrieren, wie gut er noch drauf ist.
„Freu dich des Lebens“, steht auf einem Bild des leidenschaftlichen „Kritzlers“geschrieben – ein Credo, das man dem 95-Jährigen gerne abnimmt und das noch lange nach dem Abschied nachklingt.