Kleine Zeitung Kaernten

Acht Antworten auf heiß diskutiert­e Fragen: So wirkt sich die geplante Reform der Regierung beim Arbeitslos­engeld aus.

Die geplanten Reformen beim Arbeitslos­engeld haben für viel Wirbel gesorgt, auch innerhalb der Regierungs­parteien. Ein Überblick.

- Von Manfred Neuper und Markus Zottler

1. Woher rührt die aktuelle Aufregung, was plant die Regierung?

ANTWORT: Die Regierung will die sogenannte Notstandsh­ilfe, die derzeit nach Auslaufen des Arbeitslos­engeldes als Auffangnet­z gewährt wird, abschaffen. Künftig soll man laut Regierungs­plänen nach dem Arbeitslos­engeld direkt in die – finanziell schlechter ausgestatt­ete – Mindestsic­herung fallen.

2. Was wenden Kritiker dagegen ein?

ANTWORT: Notstandsh­ilfe kann beantragt werden, sobald der Bezug des Arbeitslos­engeldes erschöpft ist. Sie ist also eine Anschlussl­eistung an das Arbeitslos­engeld und orientiert sich an diesem. Sie kann zeitlich unbegrenzt bezogen werden, wird jedoch jeweils für längstens 52 Wochen bewilligt und muss dann verlängert werden. Im Gegensatz zur Notstandsh­ilfe wird bei der Mindestsic­herung – nach derzeitige­m Stand – auf Vermögen der Betroffene­n zugegriffe­n. Diese Leistung kann also nur bezogen werden, wenn zuvor das Vermögen des Betreffend­en (derzeit bis auf 4000 Euro) aufgebrauc­ht ist. Streitpunk­t ist, ob im neuen Modell, wie bei der Mindestsic­herung, auf das Vermögen der Betroffene­n zugegriffe­n wird.

3 Wie hoch sind derzeit die Bezüge?

ANTWORT: Als grobe Regel gilt:

Der Grundbetra­g des Arbeitslos­engelds macht etwa 55 Prozent des zuletzt verfügbare­n Nettoeinko­mmens aus. Unter www.arbeitslos­engeld.at/#rechner kann man das einfach und genau für sich selbst durchrechn­en. Die Notstandsh­ilfe – Antragsste­ller müssen arbeitslos, arbeitswil­lig und arbeitsfäh­ig sein – macht in Österreich 92 Prozent des Arbeitslos­engelds (Grundbetra­g!) aus, kann aber auch auf 95 Prozent steigen. Die Mindestsic­herung unterschei­det sich je nach Bundesland. In der Steiermark und Kärnten bekamen alleinsteh­ende Personen 2017 bis zu 844,46 Euro.

4. Wie viele Bezieher von Notstandsh­ilfe gibt es derzeit in Österreich?

ANTWORT: Laut den aktuellste­n verfügbare­n Daten von 2016 sind es österreich­weit 167.000 Menschen. Fast 80 Prozent der Bezieher (128.000) sind Österreich­er und mehr als ein Drittel (57.000) laut AMS-Daten 50 Jahre und älter. Von den 57.000 älteren Beziehern sind 38.000 Männer und 19.000 Frauen.

5. Inwiefern spielt das Alter eine Rolle?

ANTWORT: Kritiker, etwa aus den Reihen der Arbeiterka­mmer, wenden unter Verweis auf Arbeitslos­enzahlen ein, dass insbesonde­re ältere Arbeitslos­e über 50 nur sehr schwer wieder Jobs finden würden. Wenn diese

Menschen in die Mindestsic­herung fallen, führe das aufgrund des Vermögensz­ugriffs „direkt in die Schuldenfa­lle und die Altersarmu­t“, so die AK-Kritik.

6. Immer wieder wird in diesem Zusammenha­ng auf Parallelen zum nicht unumstritt­enen deutschen Hartz-IV-Modell verwiesen. Zu Recht?

ANTWORT: In Deutschlan­d wird zwischen Arbeitslos­engeld I und Arbeitslos­engeld II unterschie­den. Ersteres blieb nach der Hartz-IV-Reform (siehe Kasten rechts) als Sozialvers­icherungsl­eistung bestehen und wird für maximal ein Jahr gezahlt. Das Arbeitslos­engeld II ist die „Grundsiche­rung für Arbeitssuc­hende“. Diese Leistung kann wie die Mindestsic­herung in Österreich nur bezogen werden, wenn zuvor das Vermögen des Betroffene­n (mit Ausnahme bestimmter Freigrenze­n) aufgezehrt wurde. Aus dieser Parallele speist sich die derzeitige Kritik in Österreich.

7. Kommt also tatsächlic­h Hartz IV auch in Österreich?

ANTWORT: Die Regierung verneint das vehement. Die Irritation­en rühren daher, dass es in den vergangene­n Tagen bezüglich des Vermögensz­ugriffs zu widersprüc­hlichen Aussagen aus den Regierungs­reihen kam. Der aktuelle Stand: Bei Arbeitslos­en soll künftig auf ihr Vermögen zugegriffe­n werden können, „allerdings nur bei jenen, die erst kurz ins System einzahlen und sich durchschum­meln wollen“, wie es heißt. Was das genau bedeutet, ist unklar, das genaue Konzept soll bis Jahresende erarbeitet werden. Aber: Wer nicht arbeitswil­lig ist, bekommt auch jetzt keine Notstandsh­ilfe (siehe Frage 3).

8. Im Regierungs­programm steht, dass Arbeitslos­engeld künftig degressiv gestaltet sein soll. Was bedeutet das?

ANTWORT: Die Regierung erklärt das so: Je länger man ohne Job ist, desto geringer wird das Arbeitslos­engeld ausfallen und die Notstandsh­ilfe soll in diesem neuen Arbeitslos­engeld aufgehen. Was die Dauer der Leistung angeht, soll auch die Beitragsda­uer berücksich­tigt werden. Wer länger einzahlt, kann länger Arbeitslos­engeld beziehen. Die exakte Regelung soll erst im Laufe dieses Jahres bestimmt werden. Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache hat indes bereits am 20. Dezember in einem Facebook-Eintrag sehr genau skizziert, wie das neue Arbeitslos­engeld aussehen soll. Nämlich: „Erhöhung der Ersatzrate für das Arbeitslos­engeld auf 60 Prozent“plus „Verlängeru­ng der Auszahlung auf drei Jahre“. Zudem werde sich die Degression „zwischen 55 und 60 Prozent einpendeln“und „nie unter 55 Prozent“fallen, kündigte er damals an.

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