Acht Antworten auf heiß diskutierte Fragen: So wirkt sich die geplante Reform der Regierung beim Arbeitslosengeld aus.
Die geplanten Reformen beim Arbeitslosengeld haben für viel Wirbel gesorgt, auch innerhalb der Regierungsparteien. Ein Überblick.
1. Woher rührt die aktuelle Aufregung, was plant die Regierung?
ANTWORT: Die Regierung will die sogenannte Notstandshilfe, die derzeit nach Auslaufen des Arbeitslosengeldes als Auffangnetz gewährt wird, abschaffen. Künftig soll man laut Regierungsplänen nach dem Arbeitslosengeld direkt in die – finanziell schlechter ausgestattete – Mindestsicherung fallen.
2. Was wenden Kritiker dagegen ein?
ANTWORT: Notstandshilfe kann beantragt werden, sobald der Bezug des Arbeitslosengeldes erschöpft ist. Sie ist also eine Anschlussleistung an das Arbeitslosengeld und orientiert sich an diesem. Sie kann zeitlich unbegrenzt bezogen werden, wird jedoch jeweils für längstens 52 Wochen bewilligt und muss dann verlängert werden. Im Gegensatz zur Notstandshilfe wird bei der Mindestsicherung – nach derzeitigem Stand – auf Vermögen der Betroffenen zugegriffen. Diese Leistung kann also nur bezogen werden, wenn zuvor das Vermögen des Betreffenden (derzeit bis auf 4000 Euro) aufgebraucht ist. Streitpunkt ist, ob im neuen Modell, wie bei der Mindestsicherung, auf das Vermögen der Betroffenen zugegriffen wird.
3 Wie hoch sind derzeit die Bezüge?
ANTWORT: Als grobe Regel gilt:
Der Grundbetrag des Arbeitslosengelds macht etwa 55 Prozent des zuletzt verfügbaren Nettoeinkommens aus. Unter www.arbeitslosengeld.at/#rechner kann man das einfach und genau für sich selbst durchrechnen. Die Notstandshilfe – Antragssteller müssen arbeitslos, arbeitswillig und arbeitsfähig sein – macht in Österreich 92 Prozent des Arbeitslosengelds (Grundbetrag!) aus, kann aber auch auf 95 Prozent steigen. Die Mindestsicherung unterscheidet sich je nach Bundesland. In der Steiermark und Kärnten bekamen alleinstehende Personen 2017 bis zu 844,46 Euro.
4. Wie viele Bezieher von Notstandshilfe gibt es derzeit in Österreich?
ANTWORT: Laut den aktuellsten verfügbaren Daten von 2016 sind es österreichweit 167.000 Menschen. Fast 80 Prozent der Bezieher (128.000) sind Österreicher und mehr als ein Drittel (57.000) laut AMS-Daten 50 Jahre und älter. Von den 57.000 älteren Beziehern sind 38.000 Männer und 19.000 Frauen.
5. Inwiefern spielt das Alter eine Rolle?
ANTWORT: Kritiker, etwa aus den Reihen der Arbeiterkammer, wenden unter Verweis auf Arbeitslosenzahlen ein, dass insbesondere ältere Arbeitslose über 50 nur sehr schwer wieder Jobs finden würden. Wenn diese
Menschen in die Mindestsicherung fallen, führe das aufgrund des Vermögenszugriffs „direkt in die Schuldenfalle und die Altersarmut“, so die AK-Kritik.
6. Immer wieder wird in diesem Zusammenhang auf Parallelen zum nicht unumstrittenen deutschen Hartz-IV-Modell verwiesen. Zu Recht?
ANTWORT: In Deutschland wird zwischen Arbeitslosengeld I und Arbeitslosengeld II unterschieden. Ersteres blieb nach der Hartz-IV-Reform (siehe Kasten rechts) als Sozialversicherungsleistung bestehen und wird für maximal ein Jahr gezahlt. Das Arbeitslosengeld II ist die „Grundsicherung für Arbeitssuchende“. Diese Leistung kann wie die Mindestsicherung in Österreich nur bezogen werden, wenn zuvor das Vermögen des Betroffenen (mit Ausnahme bestimmter Freigrenzen) aufgezehrt wurde. Aus dieser Parallele speist sich die derzeitige Kritik in Österreich.
7. Kommt also tatsächlich Hartz IV auch in Österreich?
ANTWORT: Die Regierung verneint das vehement. Die Irritationen rühren daher, dass es in den vergangenen Tagen bezüglich des Vermögenszugriffs zu widersprüchlichen Aussagen aus den Regierungsreihen kam. Der aktuelle Stand: Bei Arbeitslosen soll künftig auf ihr Vermögen zugegriffen werden können, „allerdings nur bei jenen, die erst kurz ins System einzahlen und sich durchschummeln wollen“, wie es heißt. Was das genau bedeutet, ist unklar, das genaue Konzept soll bis Jahresende erarbeitet werden. Aber: Wer nicht arbeitswillig ist, bekommt auch jetzt keine Notstandshilfe (siehe Frage 3).
8. Im Regierungsprogramm steht, dass Arbeitslosengeld künftig degressiv gestaltet sein soll. Was bedeutet das?
ANTWORT: Die Regierung erklärt das so: Je länger man ohne Job ist, desto geringer wird das Arbeitslosengeld ausfallen und die Notstandshilfe soll in diesem neuen Arbeitslosengeld aufgehen. Was die Dauer der Leistung angeht, soll auch die Beitragsdauer berücksichtigt werden. Wer länger einzahlt, kann länger Arbeitslosengeld beziehen. Die exakte Regelung soll erst im Laufe dieses Jahres bestimmt werden. Vizekanzler Heinz-Christian Strache hat indes bereits am 20. Dezember in einem Facebook-Eintrag sehr genau skizziert, wie das neue Arbeitslosengeld aussehen soll. Nämlich: „Erhöhung der Ersatzrate für das Arbeitslosengeld auf 60 Prozent“plus „Verlängerung der Auszahlung auf drei Jahre“. Zudem werde sich die Degression „zwischen 55 und 60 Prozent einpendeln“und „nie unter 55 Prozent“fallen, kündigte er damals an.