Draghi schiebt den Kurswechsel auf
Der EZB-Chef ist für orakelhafte Aussagen bekannt. Doch nun spricht er Klartext und erstaunt die Finanzwelt.
So überraschend können Details rund um zwei Nullen sein. Eine vor und eine nach dem Komma. Das ist der alte und neue Zinssatz der EZB. Nichts anderes hatten die Banker der Welt aus Frankfurt, dem Hort des Euro, erwartet. Aber: Dass EZB-Chef Mario Draghi dieses Mal so richtig klipp und klar sagt, dass es wohl das ganze Jahr nichts mehr wird mit höheren Zinsen, verblüffte dann doch die versammelte Finanz. „Die Zinsen werden wir erst mit deutlichem Abstand zum Ende des Anleihenkaufprogramms ändern“, so Draghi.
Wer wegen der guten Hinweise auf eine Strategieänderung bei den Milliarden-Anleihenkäufen erhoffte, der hätte dann schon Draghis Gedanken lesen müssen. Über seine Lippen kam dazu nur so viel: Entweder es bleibt beim Programm, kommt zu einer Kürzung oder einem Stopp.
Der Chefvolkswirt der RBI, Peter Brezinschek, kann sich dazu einen Lacher nicht verkneifen. „Was auch sonst?“
Noch bis September kauft die EZB monatlich Anleihen in der Höhe von 30 Milliarden Euro. Im März läuft das Programm volle drei Jahre. Und das einzige Ziel der EZB ist noch immer nicht erreicht: die Inflation mittelfristig bei rund zwei Prozent zu halten. „Es gibt keine über- zeugenden Signale für einen anhaltenden Aufwärtstrend“, sagt Draghi. Zuletzt war die Inflation im Euroraum von 1,5 auf 1,4 Prozent zurückgegangen. Dass sie deutlich anzieht, ist unwahrscheinlich. Auf der anderen Seite des Atlantik sorgt US-Präsident Donald Trump für einen schwachen Dollar. Die gegenläufige Eurostärke – gerade ist er auf ein Dreijahreshoch geklettert – dämpft die Teuerung eher.
Der Goldpreis in Dollar hat schon stark auf die schwache US-Währung reagiert und ist auf dem höchsten Stand seit August 2016. Seit Mitte Dezember ein Plus von zehn Prozent. Finanzexperte Brezinschek erwartet aber bald wieder ein Fallen. „Da wirken die Zinserhöhungen in den USA.“
Am meisten beobachtet Brezinschek zwei Entwicklungen: die Zinsen bei längerfristigen, zehnjährigen Anleihen etwa im finanztechnisch wichtigen Deutschland, die zuletzt signifikant gestiegen seien. „Es gelingt Draghi nicht mehr, diesen Trend umzudrehen“, so der RBI-Chefvolkswirt. Außerdem ortet er bei Jens Weidmann, dem Präsidenten der Deutschen Bundesbank, die Einnahme einer moderateren Position zu den EZB-Anleihekäufen. Die hatte Weidmann oft kritisiert, einen klaren Fahrplan urgiert. Brezinschek: „Es ist bemerkenswert, wie er vom Hardliner zu jemandem wird, der für alle 19 Euroländer akzeptabel ist.“Schließlich habe Deutschland erstmals die Chance, 2019 den EZB-Präsidenten zu stellen.
Auf Basis der heutigen Daten und Analysen sehe ich sehr wenig Chancen, dass die Zinsen in diesem
Jahr steigen könnten.
Mario Draghi, EZB-Chef