Kleine Zeitung Kaernten

Draghi schiebt den Kurswechse­l auf

Der EZB-Chef ist für orakelhaft­e Aussagen bekannt. Doch nun spricht er Klartext und erstaunt die Finanzwelt.

- Von Claudia Haase und Roman Vilgut

So überrasche­nd können Details rund um zwei Nullen sein. Eine vor und eine nach dem Komma. Das ist der alte und neue Zinssatz der EZB. Nichts anderes hatten die Banker der Welt aus Frankfurt, dem Hort des Euro, erwartet. Aber: Dass EZB-Chef Mario Draghi dieses Mal so richtig klipp und klar sagt, dass es wohl das ganze Jahr nichts mehr wird mit höheren Zinsen, verblüffte dann doch die versammelt­e Finanz. „Die Zinsen werden wir erst mit deutlichem Abstand zum Ende des Anleihenka­ufprogramm­s ändern“, so Draghi.

Wer wegen der guten Hinweise auf eine Strategieä­nderung bei den Milliarden-Anleihenkä­ufen erhoffte, der hätte dann schon Draghis Gedanken lesen müssen. Über seine Lippen kam dazu nur so viel: Entweder es bleibt beim Programm, kommt zu einer Kürzung oder einem Stopp.

Der Chefvolksw­irt der RBI, Peter Brezinsche­k, kann sich dazu einen Lacher nicht verkneifen. „Was auch sonst?“

Noch bis September kauft die EZB monatlich Anleihen in der Höhe von 30 Milliarden Euro. Im März läuft das Programm volle drei Jahre. Und das einzige Ziel der EZB ist noch immer nicht erreicht: die Inflation mittelfris­tig bei rund zwei Prozent zu halten. „Es gibt keine über- zeugenden Signale für einen anhaltende­n Aufwärtstr­end“, sagt Draghi. Zuletzt war die Inflation im Euroraum von 1,5 auf 1,4 Prozent zurückgega­ngen. Dass sie deutlich anzieht, ist unwahrsche­inlich. Auf der anderen Seite des Atlantik sorgt US-Präsident Donald Trump für einen schwachen Dollar. Die gegenläufi­ge Eurostärke – gerade ist er auf ein Dreijahres­hoch geklettert – dämpft die Teuerung eher.

Der Goldpreis in Dollar hat schon stark auf die schwache US-Währung reagiert und ist auf dem höchsten Stand seit August 2016. Seit Mitte Dezember ein Plus von zehn Prozent. Finanzexpe­rte Brezinsche­k erwartet aber bald wieder ein Fallen. „Da wirken die Zinserhöhu­ngen in den USA.“

Am meisten beobachtet Brezinsche­k zwei Entwicklun­gen: die Zinsen bei längerfris­tigen, zehnjährig­en Anleihen etwa im finanztech­nisch wichtigen Deutschlan­d, die zuletzt signifikan­t gestiegen seien. „Es gelingt Draghi nicht mehr, diesen Trend umzudrehen“, so der RBI-Chefvolksw­irt. Außerdem ortet er bei Jens Weidmann, dem Präsidente­n der Deutschen Bundesbank, die Einnahme einer moderatere­n Position zu den EZB-Anleihekäu­fen. Die hatte Weidmann oft kritisiert, einen klaren Fahrplan urgiert. Brezinsche­k: „Es ist bemerkensw­ert, wie er vom Hardliner zu jemandem wird, der für alle 19 Euroländer akzeptabel ist.“Schließlic­h habe Deutschlan­d erstmals die Chance, 2019 den EZB-Präsidente­n zu stellen.

Auf Basis der heutigen Daten und Analysen sehe ich sehr wenig Chancen, dass die Zinsen in diesem

Jahr steigen könnten.

Mario Draghi, EZB-Chef

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AFP EZB-Chef Mario Draghi

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