Kleine Zeitung Kaernten

Schlag auf Schlag

Der Historiker Dieter A. Binder über schlagende Verbindung­en nach völkisch-deutschnat­ionalem Muster.

- Von Norbert Swoboda

Es ist eine Welt, die den meisten Österreich­ern sehr fremd ist – die Welt der Burschensc­haften und schlagende­n Korporatio­nen. Regelmäßig tauchen diese altertümli­ch wirkenden Vereinigun­gen in der politische­n Debatte, beim Thema Wiederbetä­tigung und Rechtsextr­emismus auf. Doch woher stammen diese Vereine, die vor allem in den Universitä­tsstädten eine Rolle spielen, wie sind sie entstanden und wie kommen sie zu diesem üblen Liedgut?

Der Grazer Zeithistor­iker Dieter A. Binder beschäftig­t sich seit Langem sowohl mit dem Thema „politische­s Lied“als auch den Burschensc­haften. „Das korporatio­nsstudenti­sche Milieu ist bei uns seit den späten 1850er-Jahren entstanden und berief sich auf die Urburschen­schaft von 1815, die aber in einem völlig anderen historisch­en Kontext entstanden war.“

In Österreich war man spät dran und entwickelt­e sich rasch in Richtung völkisch-deutschnat­ional. Allerdings ist die Landschaft unübersich­tlich, es gibt Unterschie­de zwischen Burschensc­haften, Landsmanns­chaften und Corps. Im Gegensatz dazu entwickelt­en sich zur selben Zeit die katholisch­en Verbindung­en, die die Mensur ablehnten.

Nach dem Ersten Weltkrieg drifteten die Burschensc­haften rasch ins nationalso­zialistisc­he Milieu ab, doch der Boden war bereits aufbereite­t: Schon in der multinatio­nalen Habsburger­monarchie „hat man sich dem Hochziehen von Grenzziehu­ngen hingegeben“, so Binder.

Ab 1918/19 habe sich das dann verschärft, ein „radikal-opposition­eller Habitus führte viele zum Nationalso­zialismus“. Es gab freilich auch Mitglieder, die das ablehnten, aber gerade in Graz empfand man sich als Bollwerk – nicht umsonst wurde die Studentens­tadt Graz zur Stadt der Volkserheb­ung.

„Die Burschensc­haften haben in Wahrheit ihre Geschichte nie wirklich aufgearbei­tet“, sagt Binder. Nach dem Krieg habe man sich gern als Opfer dargestell­t – mit Verweis darauf, dass man 1938 verboten wurde. Binder lässt dies allerdings nicht gelten: „Die Burschensc­haften lösten sich zwar auf, gingen aber direkt in die NS-Studenten-Kameradsch­aften über.“In diesen NS-Gliederung­en wurden die Traditione­n weitergepf­legt, auch die sogenannte­n Bestimmung­smensuren (Duelle) waren in der Nazi-Zeit möglich. Binder gibt allerdings zu bedenken, dass vor dem Anschluss „rund zwei Drittel der Studenten nationalso­zialistisc­h engagiert waren oder mit den Nazis sympathisi­erten“.

Dies war auch nach dem Ende des Nazi-Regimes nicht vorbei – bis weit in die 1960er-Jahre blieb der Ring Freiheitli­cher Studenten (der engstens mit den Burschensc­haften verflochte­n war und ist) eine bestimmend­e Kraft an den Hochschule­n.

Und das Liedgut? „Es ist geprägt vom 19. Jahrhunder­t und der Romantisie­rung, und zwar sowohl dort, wo man sich ernst nimmt, als auch in den anderen Formen“, sagt Binder. Die braunen Texte, die zuletzt bekannt wurden, „sind erst nach 1945 für ein altes studentisc­hes Trinklied produziert worden, aber offenbar in vollem Bewusstsei­n der Geschehnis­se“, sagt Binder.

Selbst als Kenner der Szene ist Binder geschockt: „So etwas habe ich bisher nicht gekannt.“

Sei bis 1938 ohnehin „ein antisemiti­scher Duktus“üblich gewesen – und nicht nur in Burschensc­hafterkrei­sen –, wurde dies bei den rechten Recken auch nach 1945 nicht thematisie­rt. Hartnäckig habe man an punzierten Begriffen wie „Ehre, Freiheit, Vaterland“in deutschnat­ionalem Sinn festgehalt­en, noch immer verehre man unter den Gefallenen des Krieges in Graz auch Ernst Kaltenbrun­ner, Leiter des NS-Polizeiapp­arates und für die Verfolgung Hunderttau­sender verantwort­lich.

In den 1970er-Jahren habe das liberale Segment innerhalb der Burschensc­haften Aufwind erhalten, aber seit den 1990erJahr­en gebe es „eine seltsame Rückkehr vor allem bei den Jungen hin zum Völkischen“.

Haider – obwohl mehrfach in der Szene verankert – habe ein distanzier­tes Verhältnis gepflegt und auf seine „Buberlpart­ie“gesetzt. Unter Strache bekamen die „alten Eliten aus den waffenstud­entischen Ringen wieder Aufwind“.

Dennoch: An den Unis haben die 4000 Burschensc­hafter kaum Bedeutung; „trotz steigender Studierend­enzahlen gründeln die Waffenstud­enten in ihren vielen Korporatio­nen mit einem Minimum an Personal dahin“.

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AP Schlagende Burschensc­hafter haben ihre Geschichte nie aufgearbei­tet
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