Die asiatische Leistungsschau im Zeichen der fünf Ringe
Die olympische Bewegung tritt mit dem heutigen Tag und der Eröffnung der Winterspiele in Pyeongchang endgültig in das „asiatische Zeitalter“ein. Die Gründe für das Interesse sind vielfältig.
Das Zeitalter Asiens“ist endlich da: Mit den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang übernimmt der Ferne Osten für die nächsten vier Jahre, oder auch die XXIV. Winter-Olympiade, das olympische Ruder. Nach den Spielen in Pyeongchang stehen noch die Sommerspiele in Tokio 2020 und dann abermals Winterspiele in Peking 2022 an, ehe die Spiele wieder nach Paris und Europa zurückkehren werden. Es ist der Höhepunkt einer Entwicklung, die auf der einen Seite den Höhenflug der Bewegung unter den fünf Ringen in Asien dokumentiert, auf der anderen Seite aber just durch den von den Ausrichterstaaten zur Schau gestellten Gigantismus das Ansehen der olympischen Bewegung in der „alten Welt“zweifellos weiter sinken lassen wird. Ein zweischneidiges Schwert: Denn auf der einen Seite repräsentieren die asiatischen Staaten alles, was sich ein Teil der olympischen Bewegung, aber auch der Industrie, speziell im Winter, wünscht: die Ausdehser der Bewegung auf neue Märkte, die viel Potenzial zur Erschließung haben und die Hoffnung nähren, die Rückgänge in den angestammten Heimmärkten aufzufangen. Das gilt eben nicht nur für die Industrie, sondern auch für das Multimilliarden-Business Olympia.
Die westliche Welt ist skeptisch geworden. Während etwa Rom, Hamburg, München, Graubünden, Innsbruck oder Budapest das Ansinnen ihrer Heimatstädte, sich um Olympia zu bewerben, ablehnten, scheint der Hunger Asiens unstillbar. Der Grund ist einfach: Olympia wird als Schuhlöffel ge- oder gar missbraucht, um Großprojekte mit einer gesetzten Frist durchpeitschen zu können. Diese beträgt genau sieben Jahre, denn so viel Zeit haben die Bewerberstädte vom Zeitpunkt des Zuschlags bis zum Entzünden des Feuers. Und just in Asien verfolgt man mit Olympischen Spielen höhere Ziele: 1964 gelang es Japan mit den Spielen in Tokio, sich der Welt als Wirtschaftsmacht zu präsentieren. Südkorea schaffte es 1988, sich als demokratisch gewandeltes Land darzustellen, das im Aufbruch war – in diesem Jahr zeigt schon das Motto, „Passion. Connected. – Leidenschaft. Verbunden.“, dass sich das Land als technologische Führungsnation und Motor für Forschung und Entwicklung zeigen will. Und Peking 2008 war auch für China der Hebel, um sich dem Westen endgültig nicht nur als politische, sondern auch als wirtschaftliche Supermacht zu präsentieren. Die Winterspiele 2022 werden diesem Kapitel ein weiteres hinzufügen, die (grenzenlosen) Möglichkeiten Chinas demonstrieren.
Doch bleiben wir in Südkorea. Es kommt nicht von ungefähr, dass das große Leitprojekt dieser Spiele zum einen die neue 5G-Technologie im Mobilfunkbereich ist, die zum Beispiel erst autonomes Fahren ermöglicht. Auf der anderen Seite war der Ausbau des Hochgeschwindigkeitszuges KTX von Seoul in den Osten des Landes nach Gangneung die Triebfeder dienung Spiele. Die Nachricht an die Welt ist klar: Wir können alles schaffen – und das schneller und besser, wir sind die Zukunft. Oder, wie es Victor Cha, Direktor für asiatische Studien an der Georgetown-Universität ausdrückt: „Es gibt eine interessante Abweichung in der Wahrnehmung der Spiele. In Asien ist Olympia reine Benchmark für die wirtschaftliche Entwicklung einer Nation. Im Westen dient Olympia bestenfalls als Vehikel, um große Städte wiederzubeleben“, sagte er gegenüber forbes.com.
Jedoch nicht nur die wirtschaftliche Sogkraft war für die Bewerbung Südkoreas entscheidend, sondern tatsächlich eine der ursprünglich tragenden Säulen der olympischen Idee: Friede. Ebenso wenig wie der Hochgeschwindigkeitszug als pulsierende Ader für die Zusammenführung der beiden Küsten der südlichen koreanischen Halbinsel ein Zufall war, ist es die Wahl von Pyeongchang als Austragungsort. Denn just in dieser Region Gangwon traf die Trennung der beiden Koreas nach Krieg in den 50ern besonders viele Familien. Die Hoffnung auf Frieden und Wiedervereinigung war eines der Hauptargumente, als sich Pyeongchang zum dritten Mal um die Spiele beworben hatte. Und während das Verhältnis Nordkoreas zu den USA seit der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten merklich abkühlte und sich Atomtests mit lächerlichen Größenvergleichen abwechselten, gelang es kurz vor Olympia, das Eis zwischen den beiden Koreas zu brechen. Erstmals nach elf Jahren wird damit heute bei der Eröffnung wieder ein gesamtkoreanisches Team einmarschieren – unter der Flagge eines gesamten Koreas, der blauen Halbinsel auf weißem Grund. Statt der Hymnen der Länder wird das in beiden Staaten beliebte Volkslied „Arirang“gespielt werden. Damit nicht genug: In aller Eile wurde auch ein gemeinsames Eishockey-Team der Damen beschlossen – und mit Sicherheit war noch nie ein Vorrundenspiel der Damen ein derartiger Quotenbringer wie es das Samstagspiel des gesamtkoreadem nischen Teams gegen die Schweiz (ein neutrales Land, wie passend) um 13.10 Uhr MEZ sein wird. Und auch, wenn nicht alle begeistert über den Kuschelkurs zwischen Süd und Nord sind, auch wenn die nordkoreanischen Spielerinnen bei der gemeinsamen Pressekonferenz das Podium nach der Verlesung ihrer Statements und vor allen Fragen fluchtartig verließen, auch wenn es im Team Verständigungsschwierigkeiten gibt – die symbolische Strahlkraft überwiegt bei Weitem. Genauso wie das Gastspiel einer nordkoreanischen Band, für deren Konzerte 150.000 Südkoreaner Tickets wollten. Dabei hat das Entgegenkommen Grenzen – der nordkoreanische Machthaber Kim Jong-un verzichtete trotz Olympia nicht auf seine Militärparade am Donnerstag in der Hauptstadt Pjöngjang, mit der er der Gründung der Armee gedachte.
Klar ist: Die Spiele in Südkorea werden ein Erfolg. Alle Sportstätten sind fertig, auch der Ticketverkauf zog an, am Tag vor der Eröffnung waren 78 Prozent der Karten verkauft. Und die Spiele an sich werden Gewinn abwerfen, ebenso wie die zwei nachfolgenden. Was der olympischen Bewegung schadet, ist der Preis, den Asien zahlt, um die Infrastruktur anzuschieben. Denn die Kosten für Hochg es ch windigkeitsb ahnen, Straßen, überdimensionierte St adiens indes, die den Westen sich abwenden lassen. Obwohl: Im Fernsehen schaut alles gut aus – wenn auch hierzulande nicht zur Primetime.
Wir stellen das hiermit klar. Wir haben nicht die geringste Absicht, bei unserem Besuch im Süden US-Vertreter zu treffen. Cho Yong-sam, ein ranghoher Vertreter des nordkoreanischen Außenministeriums
Wir brauchen Weisheit und Anstrengungen, um die Dialog-Chancen nach den Olympischen Spielen zu bewahren. Südkoreas Präsident Moon Jae-in über das Tauwetter in den innerkoreanischen Beziehungen