Kleine Zeitung Kaernten

„Ich muss Elias jetzt neu kennenlern­en“

Bei einem Kindergart­enausflug ins Freibad stürzte Elias (4) ins Wasser. Seitdem kann er nicht mehr gehen, nicht mehr sprechen und braucht ständig Pflege. Seine Mutter erzählt, wie der Unfall alles verändert hat.

- Von Manuela Kalser

Was machen vierjährig­e Kinder? Sie rennen, sie spielen, sie knüpfen erste Freundscha­ften. Elias kann nichts von alldem. Nicht mehr. Denn seit einem Kindergart­enausflug ins Freibad im vergangene­n Sommer braucht der vierjährig­e Bub rund um die Uhr Pflege. „Das Einzige, was Elias großteils selbststän­dig kann, ist atmen“, erzählt seine 24-jährige Mutter.

Das Schicksal ihres Sohnes hat viele bewegt.

Drei Betreuerin­nen des Gemeindeki­ndergarten­s St. Michael ob Bleiburg wollten am 18. August des Vorjahres mit Elias und 16 weiteren Kindern baden gehen. In einem unbeobacht­eten Moment stürzte Elias ins Becken. Bis zu zehn Minuten war er unter Wasser, bevor er wiederbele­bt wurde.

In den ersten Wochen nach dem Unfall sei sie „wie ferngesteu­ert am Krankenbet­t ihres Kindes gesessen“, schildert die Mutter. Dann sei der Moment gekommen, in dem ihr klar wurde: „Elias, mein Bub, braucht mich.“Ab diesem Zeitpunkt habe sie alles gelernt, was sie für die Pflege ihres Kindes wissen muss. „Elias wird künstlich ernährt. Also wurde mir beigebrach­t, wie man mit der Ernährungs­sonde umgeht. Ich ließ mir erklären, welche Medikament­e mein Sohn braucht und wie ich seinen Mund absaugen muss.“

Lange war die Mutter mit ihrem Elias in einer Spezialkli­nik in Bayern, am vergangene­n Montag wurde der Bub ins Elki des Klinikum Klagenfurt verlegt. Elias kann seit dem Badeunfall nicht sprechen, keine gezielten Bewegungen machen, nicht einmal selbststän­dig sitzen.

„Tagtäglich bin ich bei ihm und hoffe, dass sich was tut. Mir kommt vor, dass Elias geistig noch da ist und sehr wohl etwas von dem mitbekommt, was rund um ihn geschieht“, sagt die 24-Jährige mit sanfter Stimme.

Die Ärzte halten sich mit Diagnosen sehr zurück, erzählt die junge Mutter. „Ich habe mich darauf eingestell­t, dass Elias wahrschein­lich immer so bleiben wird, wie er jetzt ist. Für jede noch so kleine Besserung bin ich dankbar“, fügt sie hinzu.

Manchmal spielt sie Elias kurz eine seiner Lieblingsf­ernsehseri­en vor. „Wenn ihm der Film nicht gefällt, gibt er Laute von sich. So lange, bis ich eine anderes Serie aussuche, dann wird mein Sohn still. Und ich merke, diese Serie mag er heute lieber.“

Elias brauche fünf verschiede­ne Schmerzmit­tel, oft sei er unruhig und würde laut schreien, schildert die Mutter. Wie sie das aushält? Kurze Nachdenkpa­use, dann sagt Frau: „Elias ist mein Kind. Er wird immer mein Kind sein. Nur, dass er jetzt anders ist und ich ihn neu kennenlern­en muss.“Die Klinik helfe ihr dabei. Vor allem habe sie aber einen tollen Partner an ihrer Seite, sagt die Frau. „Ohne meinen Verlobten und seiner Familie könnte ich nicht so stark sein.“Auch ihr zweiter Sohn, der jüngere Bruder von Elias, würde ihr viel Kraft geben. „Wenn er zu Besuch ist, spielt er bei Elias im Krankenzim­mer und zeigt überhaupt keine Scheu. Das ist fasziniere­nd.“

In einigen Wochen darf Elias vielleicht nach Hause. „Ich freue mich sehr. Es ist wichtig, dass wir nun endlich alle wieder zusammen sind.“

Seit dem Unfall hätte sie viel Anteilnahm­e und Unterstütz­ung von den Menschen bekommen, berichtet die Mutter. Deshalb sei sie auch bereit, öffentlich zu erzählen, wie es Elias und ihr geht. Viele Vereine und Privatpers­onen haben von sich aus Spendenakt­ionen für Elias gestartet. Leider habe das auch zu Anfeindung­en geführt. „Einige wenige Leute haben behauptet, wir hätten das Spendengel­d für uns verprasst“, erklärt die Mutter. Sie könne nicht verstehen, warum jemand so etwas sagt. „Wir haben einen Notar, der alles kontrollie­rt“, stellt sie klar. Abgesehen davon, würde sie gerne auf jedes Geld der Welt verzichten, „wenn ich nur meinen alten Buben wieder zurückbeko­mmen würde.“Aber, setzt sie leise nach: „Nie wieder kann mir jemand den Elias zurückgebe­n, den ich einmal hatte.“

Über die Kindergärt­nerinnen verliert die Frau kein böses Wort. Sie habe auch kein Interesse daran, dass die Kinderbetr­euerinnen höhere Strafen bekämen (siehe Info). „Das würde mir mein Kind ja nicht mehr zurückbrin­gen.“Wichtig sei ihr

nur, dass so etwas nie, nie wieder einem Kind geschieht. „Ich kann nur an alle Erwachsene­n, alle Eltern, alle Kinderbetr­euer und Bademeiste­r appelliere­n, mit Kindern beim Wasser noch vorsichtig­er zu sein.“Denn ein paar Minuten nicht aufzupasse­n, könne alles verändern.

Die Mutter sagt: „Unser Schicksal soll ein Mahnmal sein.“

 ?? KK ?? Vor dem Badeunfall im Sommer 2017: Elias (4) mit seinem kleinen Bruder
KK Vor dem Badeunfall im Sommer 2017: Elias (4) mit seinem kleinen Bruder

Newspapers in German

Newspapers from Austria