In die Wüste schicken: Von Sünden und Böcken
Letzte Woche war ich unterwegs nach Prag, zum 25-Jahr-Jubiläum der Tschechischen Rektorenkonferenz. Die Prager Karls-Universität, gegründet 1348, war die erste Universität des deutschen Sprachraums, 17 Jahre älter als die von Karls Schwiegersohn Rudolf IV. gegründete Universität Wien. Im Zug saß mir ein Mann meines Alters in einem T-Shirt mit der Aufschrift „Blame Canada!“gegenüber. „Blame Canada“ist ein Song aus dem Kinofilm zu „South Park“, einer satirischen Comic-Fernsehserie mit Kultcharakter.
Wen können besorgte US-amerikanische Eltern dafür verantwortlich machen, dass sich ihre Kinder nicht wie erträumt entwickeln? Nichts leichter als das: Kanada ist schuld. („They’re not even a real country anyway.“) Eine Bewegung namens MAC entsteht: „Mothers Against Canada.“
Der Brauch des Sündenbocks ist schon in der Bibel überliefert. Zu Jom Kippur überträgt der Hohepriester alle Sünden des Stammes durch Handauflegen auf einen Ziegenbock, der dann in die Wüste gejagt wird. Ein überaus praktischer Weg, sich seiner Schuld zu entledigen.
Populisten lieben es, Sündenböcke zu schaffen. Die tschechischen Rektoren haben mit der nationalen Politik derzeit ihre liebe Müh: Sie ist noch nicht so wild wie in Ungarn oder Polen, sie stößt aber ins selbe (Bocks-)Horn. Premierminister Andrej Babiˇs ist Gründer und Vorsitzender der ANO-Partei, wobei ANO „Ja“bedeutet und zugleich als Abkürzung für „Aktion unzufriedener Bürger“steht. Der Name ist Programm. Babiˇs gilt als zweitreichster Mann des Landes; ihm wird Steuerhinterziehung und Medienbeeinflussung vorgeworfen. Präsident Miloˇs Zeman, dem auch die Angelobung von Universitätsprofessoren obliegt, ist ein Vollblutpopulist.
W as ist eigentlich Populismus? Sein Wesen liegt darin, trügerisch einfache Antworten auf komplexe Fragen zu geben; Antworten, die sich gut verkaufen lassen. Dabei wird vorzugsweise mit Ängsten, Pauschalierungen und Ressentiments gearbeitet. Sündenböcke sind dabei hochwillkommen. Tatsächlich sollten wir besser die Populisten in die Wüste schicken.
„Populisten arbeiten mit Ängsten, Pauschalierungen und Ressentiments. Sündenböcke sind ihnen dabei hochwillkommen“