Kunstchamäleon Man Ray ist in einer längst fälligen großen Retrospektive in Wien zu bestaunen.
Wer von ihm fotografiert wird, ist jemand. Sagt Gertrude Stein. Die amerikanische Schriftstellerin ist im Paris der 1920er-Jahre jemand. Also fotografiert Man Ray sie. Auch ihren Pudel Basket I. bittet er vor die Kamera.
12.304 Negative Man Rays befinden sich in der Sammlung des Centre Pompidou. Nicht nur, aber sehr viele Porträts, mit denen sich eine Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts sehr gut illustrieren ließe. Porträts von Marcel Proust (auf dem Totenbett) bis Yves Montand. Von Kiki de Montparnasse bis Catherine Deneuve (vor einem von Man Ray gestalteten Paravent).
Aber nicht nur enigmatische Menschenbildnisse stammen von Man Ray. „Le violon d’Ingres“(1924), ein weiblicher Rückenakt, der Assoziationen zu einer Geige erzeugt, ist eine Ikone. Ebenso „Erotique voilée“(1933) mit Meret Oppenheim als Model und „Noire et Blanche“(1926) mit Kiki im Dialog mit einer afrikanischen Maske. „Monument à D. A. F. de Sade“(ebenfalls 1933) nutzt ein Gesäß für emblematische Zwecke. Dem berühmt-berüchtigten Marquis widmet Man Ray mehrere Werke, darunter eines seiner berühmtesten Gemälde: ein „Imaginäres Porträt“(1938).
Man Ray ist
als Künstler ein Allrounder, wie es selten einen gibt. Das vor Augen zu führen, ist nicht das geringste Verdienst dieser Retrospektive mit rund 200 Werken aus internationalen Kollektionen. Foto, Malerei, Grafik, Film, Kunstbuch, Objekt (etwa das berühmte „Cadeau“, „Gift“, ein Bügeleisen mit Näschreiben,