Kleine Zeitung Kaernten

Der Krimi als Spiegel des Unterbewus­sten

Keine leichte Kost: Die ORF-Serie „Fokus Mord“rekonstrui­ert österreich­ische Kriminalfä­lle und lässt Experten wie Reinhard Haller die Verbrechen erklären.

- INTERVIEW. Von Daniel Hadler

mediziner immer recht. Wenn er sagt „Todeszeitp­unkt 23 Uhr“– dann ist das so. In der Realität passieren aber auch dort Fehler. Mich würde ein Krimi interessie­ren, in dem die Ermittler, Gerichtsme­diziner und Gutachter entscheide­nde Fehler machen. Den würde ich mir anschauen.

Wie war es für Sie, an „Fokus Mord“mitzuarbei­ten?

Man wechselt die Ebene ein Stück weit und es ist vielleicht nicht die lustvoller­e, aber die leichtere Arbeit, wenn man sich auf der Ebene der Drehbuchau­torenschaf­t bewegen kann. Ich bin ein sehr neugierige­r Mensch, insofern war das für mich sehr bereichern­d.

Es gibt eine Krimiflut im Fernsehen: Woher kommt die Lust am fiktionale­n Verbrechen?

Auf der einen Seite sind es tatsächlic­h spannende Geschichte­n mit ständiger Angst-Lust-

Spannung. Dazu sind Tötungsdel­ikte letztlich stilisiert­e Psychologi­e. Es sind immer psychologi­sche Abläufe, die zum Tragen kommen: Gekränkthe­it, Frust, Rache, Neid, sexuelle Begierde und so weiter. Entscheide­nd für mich ist, dass es ein Blick in die Abgründe der Seele ist, und die haben wir alle in uns selbst. Wir wissen, dass wir auch dunkle, verdrängte Seiten haben, und die wollen wir natürlich kennenlern­en.

Also auch im Fernsehen?

Insofern sind Krimis auch immer ein bisschen die Suche nach dem eigenen Ich, nach den Anteilen, die ich nicht kenne und vielleicht fürchte. Sie sind im Prinzip ein Spiegel für das eigene Unbewusste, glaube ich.

Fast drei Jahre lag die „True Crime“-Reihe abgedreht in der Schublade, ab heute kommt „Fokus Mord“zur Ausstrahlu­ng: Erzählt und nachgestel­lt werden wahre Kriminalfä­lle, die von echten Ermittlern gelöst werden. Experten wie der Psychiater Reinhard Haller erklären die Hintergrün­de.

Herr Haller, sehen Sie sich im Fernsehen Krimis an?

REINHARD HALLER:

Selten, die habe ich selbst schon den ganzen Tag durch die Gutachtert­ätigkeit, und da ist die Realität so spannend, dass man das Gefühl bekommt, Krimis nicht mehr anschauen zu müssen.

Wenn Sie sich doch einmal einen Krimi ansehen: Wie realistisc­h sind diese aus Ihrer Sicht? Sie werden immer realistisc­her. Für mich auffallend ist, dass viele aus Ländern kommen, in denen wir eine niedrige Mordrate haben: In Norwegen und Schweden zum Beispiel, gerade dort gibt es die besten Mordschrif­tsteller. Das Zweite, das ich immer assoziiere, wenn ich Krimis schaue, ist die Feststellu­ng: Im Krimi hat der Gerichts-

 ?? ORF (2) ?? Das TV-Publikum begleitet die Ermittler bei ihrer Arbeit und lässt sich, unter anderem von Psychiater Reinhard Haller, den Fall erklären
ORF (2) Das TV-Publikum begleitet die Ermittler bei ihrer Arbeit und lässt sich, unter anderem von Psychiater Reinhard Haller, den Fall erklären
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