Der Krimi als Spiegel des Unterbewussten
Keine leichte Kost: Die ORF-Serie „Fokus Mord“rekonstruiert österreichische Kriminalfälle und lässt Experten wie Reinhard Haller die Verbrechen erklären.
mediziner immer recht. Wenn er sagt „Todeszeitpunkt 23 Uhr“– dann ist das so. In der Realität passieren aber auch dort Fehler. Mich würde ein Krimi interessieren, in dem die Ermittler, Gerichtsmediziner und Gutachter entscheidende Fehler machen. Den würde ich mir anschauen.
Wie war es für Sie, an „Fokus Mord“mitzuarbeiten?
Man wechselt die Ebene ein Stück weit und es ist vielleicht nicht die lustvollere, aber die leichtere Arbeit, wenn man sich auf der Ebene der Drehbuchautorenschaft bewegen kann. Ich bin ein sehr neugieriger Mensch, insofern war das für mich sehr bereichernd.
Es gibt eine Krimiflut im Fernsehen: Woher kommt die Lust am fiktionalen Verbrechen?
Auf der einen Seite sind es tatsächlich spannende Geschichten mit ständiger Angst-Lust-
Spannung. Dazu sind Tötungsdelikte letztlich stilisierte Psychologie. Es sind immer psychologische Abläufe, die zum Tragen kommen: Gekränktheit, Frust, Rache, Neid, sexuelle Begierde und so weiter. Entscheidend für mich ist, dass es ein Blick in die Abgründe der Seele ist, und die haben wir alle in uns selbst. Wir wissen, dass wir auch dunkle, verdrängte Seiten haben, und die wollen wir natürlich kennenlernen.
Also auch im Fernsehen?
Insofern sind Krimis auch immer ein bisschen die Suche nach dem eigenen Ich, nach den Anteilen, die ich nicht kenne und vielleicht fürchte. Sie sind im Prinzip ein Spiegel für das eigene Unbewusste, glaube ich.
Fast drei Jahre lag die „True Crime“-Reihe abgedreht in der Schublade, ab heute kommt „Fokus Mord“zur Ausstrahlung: Erzählt und nachgestellt werden wahre Kriminalfälle, die von echten Ermittlern gelöst werden. Experten wie der Psychiater Reinhard Haller erklären die Hintergründe.
Herr Haller, sehen Sie sich im Fernsehen Krimis an?
REINHARD HALLER:
Selten, die habe ich selbst schon den ganzen Tag durch die Gutachtertätigkeit, und da ist die Realität so spannend, dass man das Gefühl bekommt, Krimis nicht mehr anschauen zu müssen.
Wenn Sie sich doch einmal einen Krimi ansehen: Wie realistisch sind diese aus Ihrer Sicht? Sie werden immer realistischer. Für mich auffallend ist, dass viele aus Ländern kommen, in denen wir eine niedrige Mordrate haben: In Norwegen und Schweden zum Beispiel, gerade dort gibt es die besten Mordschriftsteller. Das Zweite, das ich immer assoziiere, wenn ich Krimis schaue, ist die Feststellung: Im Krimi hat der Gerichts-