Kleine Zeitung Kaernten

Die sieben Todsünden: Macht Gier geil?

- Oliver Vitouch über Doppelmora­l in der Politik und „Grundgefäh­rdungen“ Oliver Vitouch ist Rektor der Universitä­t Klagenfurt und Vizevorsit­zender der Rektorenko­nferenz

Sieben Todsünden kennt die katholisch­e Kirche. Leichter erklären sie sich als „Wurzelsünd­en“: Für sich genommen triviale Laster, sind sie die Wurzel weiterer Sünden, die sie unweigerli­ch nach sich ziehen. Sie sind „Grundgefäh­rdungen“des Menschen. Eine der Todsünden ist die Gier, und die ist bekanntlic­h ein Hund.

Viele meinen, Eva Glawischni­gs Metamorpho­se zur Glücksspie­lkonzern-Managerin sei vor allem der Gier geschuldet. Die Resonanz auf diesen Sündenfall war groß: Die satirische „Tagespress­e“übernahm die Meldung unveränder­t, weil sie bizarrer nicht zu erfinden gewesen wäre.

Ein Medium titelte „Die verlorene Ehre der Eva G.“. Die Kärntner Grünen stellten Glawischni­g buchstäbli­ch ihren Ehrensitz vor die Tür. Und wiewohl man über Äußeres keine Scherze treiben soll, ist folgender Forendialo­g einfach zu trefflich: „Was ist mit ihrem Gesicht?“– „Sie hat es verloren.“

Bei einem gewissen Typus von Sozialdemo­kraten („Genosse der Bosse“) war man die postfunkti­onale Doppelmora­l fast schon gewohnt. Gewiss billigt man Männern auch mehr Talent zur Gewissenlo­sigkeit zu. Aber Grüne schienen dagegen immun; das war ihr Markenkern. Nun steht Glawischni­g als Heuchlerin da.

Auch die Behauptung „Jeder hat seinen Preis“ist zynisch. Ich biete Ihnen 100 Millionen Euro, aber 100 Menschen werden dafür sterben?

Das ist wohl eher eine Grundsatz- als eine Preisschwe­llenfrage. Und rasend gut dürfte Glawischni­gs neuer Job nicht einmal bezahlt sein. Noch stärker als die Gier ist nämlich eine andere Todsündens­pielart: die Geltungssu­cht. Hier paart sich die Gier mit dem Stolz. Manche Personen, die Macht und Aufmerksam­keit genossen, sind danach auf hartem Entzug: Suche Geltung, mache alles.

N ein, es sind nicht alle Politiker korrupt, gewissenlo­s und käuflich. Aber es braucht oft hohe Geltungssu­cht und ein großes Ego, um Spitzenpol­itik auszuhalte­n: heutzutage, im Zeitalter der medialen Dauerbeoba­chtung, mehr denn je. Umso erfrischen­der, dass da letzten Sonntag in Kärnten ein Untypische­r gewonnen hat.

„Noch stärker als die Gier ist eine andere Todsündena­rt:die Geltungssu­cht. Hier paart sich die Gier mit dem Stolz.“

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