Kleine Zeitung Kaernten

Moons Gratwander­ung

Südkoreas Präsident sucht das Gespräch mit einem Diktator, weil er einen Atomkrieg abwenden will. Das ist zu begrüßen. Nur sollte Moon mit Bedacht vorgehen.

- Finn Mayer-Kuckuk redaktion@kleinezeit­ung.at

Es ist wichtig und richtig, dass Präsident Moon Jaein mit Machthaber Kim Jong-un spricht. Moon muss die Gefahr eines Atomkriegs von seinem Land abwenden. Doch er sollte nicht vergessen, dass Kim sich in der schwächere­n Position befindet – und sich nicht zu schnell im Alleingang zu Zugeständn­issen hinreißen lassen. Wenn er geschickt vorgeht, hat er jedoch die Chance, eine echte Wende zum Besseren herbeizufü­hren.

Die Geschichte der innerkorea­nischen Beziehunge­n wiederholt sich. Auf eine Eiszeit folgt eine Warmzeit, und dann geht das Drama wieder von vorne los. Schon Kims Vater hat mit Moons Vorgängern verhandelt, schon damals galten die Gespräche als Durchbruch im Umgang mit einem Nordkorea, das kurz zuvor noch mit totaler Vernichtun­g gedroht hatte.

Es ist nun bereits großzügig von Moon, einen menschenve­rachtenden Diktator wie Kim überhaupt zu treffen. Moon gehört zu den Vorkämpfer­n von Rechtsstaa­tlichkeit und Demokratie in seinem Land. Kim dagegen hält sein Volk in Unwissenhe­it und lässt es darben, während er im Luxus lebt. Er hat mehrere seiner Familienmi­tglieder kaltblütig umbringen lassen, weil er glaubte, dass diese seine Macht bedrohen. Sein Regime betreibt Konzentrat­ionslager für Kritiker und Abweichler. Es ist zu hoffen, dass Moon bei dem geplanten Treffen nicht so freundlich lächelt wie sein enger Mitarbeite­r Chung Eui-yong, als dieser mit Kim und seiner Familie zu Abend gegessen hat.

Wenn es um die Sanktionen geht, sollte Moon nicht zu früh aus der Linie der internatio­nalen Gemeinscha­ft ausscheren: Nordkorea darf erst dann wieder Handel treiben, wenn es substanzie­ll abrüstet. Gegenüber dieser Forderung werden sich schnell die Grenzen der neuen nordkorean­ischen Leutseligk­eit zeigen. Denn Kim sieht die Bombe als seine Lebensvers­icherung. Wer einen Atomknopf hat, kann sich vor einem Einmarsch der Amerikaner sicher fühlen. Doch Kim braucht die Warenliefe­rungen aus dem Ausland ebenso dringend. Moon sollte ihn zappeln lassen, bis er seine Bomben herausrück­t und Inspektore­n permanent ins Land lässt.

Moon muss sich also mit China, den USA und im Zweifelsfa­ll mit weiteren Partnern wie Japan und den Europäern koordinier­en. Nur wenn die wichtigen Länder geschlosse­n auftreten, dann können sie bei Kim etwas erreichen. Trump darf ruhig weiter etwas drohen. Das verleiht dem Ernst der Gespräche Nachdruck. Wenn die Zeit reif ist, sollten jedoch auch die USA auf Moons Linie einer Annäherung einschwenk­en. In diesem Szenario könnte gerade der Anfang einer echten Friedensph­ase auf der koreanisch­en Halbinsel E liegen. ine friedliche Wiedervere­inigung ist dennoch nicht in Reichweite, auch wenn das Wort jetzt bei den Gesprächen mehrfach gefallen ist. Kim wird seine Macht nie aufgeben – und der Süden will das Erreichte nur noch ungern mit den verarmten Verwandten im Norden teilen.

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