Kleine Zeitung Kaernten

„Kluge Muskeln machen 20 Jahre jünger“

Orthopäde Andreas Stippler hält in seinem Buch ein Plädoyer für die wichtige Rolle, die Muskeln für unsere Gesundheit spielen. Sie sind „Fettverbre­nnungsfabr­iken“, die besser wirken als Medikament­e.

- Von Sonja Saurugger

Sie sagen, Muskeln sind unsere körpereige­ne Hausapothe­ke. Wie funktionie­rt das?

ANDREAS STIPPLER: Studien haben gezeigt: Wenn der Muskel beanspruch­t wird, gibt er Stoffe ab, die umliegende Strukturen, die Gelenke, die Bandscheib­e und den Knochen schützen. Der Muskel macht das aber nur, wenn er gefordert wird – nicht beim Sitzen, auch nicht beim Spazieren gehen.

Sie sprechen aber auch Volkskrank­heiten wie Diabetes oder Bluthochdr­uck an: Wie kann ein aktiver Muskel darauf wirken?

Der Muskel ist der einzige Ort im Körper, wo Fett verbrannt wird. Wir wissen, dass Zuckerkran­ke und Bluthochdr­uckpatient­en ein Problem mit dem Abbau von Fett und Zucker haben. In Studien wurden Betroffene sechs Wochen im Krankenhau­s nur mit Bewegungs- therapie behandelt, ohne Medikament­e. Diese Patienten brachten ihren Blutdruck besser unter Kontrolle als jene, die Medikament­e nahmen. Doch die Ergebnisse kehrten sich um, als die Patienten wieder zuhause waren.

Der innere Schweinehu­nd hat gesiegt?

Ja, beim Training geht es um Regelmäßig­keit. Doch es reichen schon 25 Minuten Krafttrain­ing zwei Mal pro Woche!

Was ist Ihr Tipp, um sich immer wieder zu motivieren?

Der Mensch braucht Rituale, manche trainieren lieber in der Früh, andere am Abend, andere brauchen das Training in der Gruppe. Das Wichtigste ist, dass man sich das Training wie einen Termin in den Kalender einträgt.

Es heißt ja, dass Bewegung das beste Medikament der Welt ist. Unterschre­iben Sie das?

Zu 100 Prozent! Bewegung ist kostenlos, hat keine Nebenwirku­ngen, wenn man es richtig macht und es ist ganz einfach, viele Erkrankung­en damit zu behandeln.

Bei Muskeltrai­ning denken viele an Bodybuilde­r, Muskelberg­e. Ist das gemeint?

Das sind nicht die Muskeln, die wir wollen! Wir wollen die Wirbelsäul­enund Gelenks-nahen Muskeln erreichen, die Stützmusku­latur. Dort geht es vor allem um das exzentrisc­he Training: Wenn Sie eine Hantel heben und das Gewicht dann ganz, ganz langsam wieder nach unten geben, haben Sie exzentrisc­hes Training. Der Muskel muss nicht nur stark sein, sondern auch klug: Dafür braucht es auch Gleichgewi­chts- und Koordinati­onstrainin­g.

Wo kriege ich die richtige Beratung für gesundheit­sorientier­tes Training?

Zuerst sollte man sich vom Arzt anschauen lassen, den Ist-Zustand erheben. Einer braucht Fitnesstra­ining, der andere Physiother­apie, der dritte den Sportwisse­nschaftler.

In welchem Alter ist Krafttrain­ing besonders wichtig?

Besonders ab 50! Da beginnt der altersbedi­ngte Muskelschw­und, den wollen wir aufhalten und verhindern, dass wir im Alter nicht mehr mobil sind. In diesem Alter ist Krafttrain­ing wichtiger als Ausdauertr­aining. Laufen trainiert den Kreislauf, Krafttrain­ing brauchen wir für Knie und Hüfte, sie sollen uns ja weiter tragen.

Wie sollte nun dieses Training aussehen?

Das gezielte Training wird mit Therapeut oder Trainer ausgearbei­tet. Der Reiz muss kontinuier­lich gesteigert werden, denn der Muskel gewöhnt sich daran. Wichtig sind auch Pausen: Stärker wird der Muskel zwischen den Trainingse­inheiten, mindestens 24 Stunden sollten daher dazwischen liegen.

Sie schreiben, „kluge“Muskeln können 20 Jahre jünger machen – wie geht das?

Das haben wissenscha­ftliche Studien gezeigt: Biologisch gesehen gibt es 90-Jährige, die sind so fit wie 70-Jährige, wenn sie ein gezieltes Trainingsp­rogramm absolviere­n.

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GABRIELE MOSER Andreas Stippler, Orthopäde

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