Kleine Zeitung Kaernten

Luca Guadagnino über seine famose Oscar-Romanze.

INTERVIEW. Regisseur Luca Guadagnino über seine radikal romantisch­e Liebesgesc­hichte „Call Me by Your Name“, jüngst mit dem DrehbuchOs­car prämiert.

- Von Dieter Oßwald

Herr Guadagnino, Ihr Film über die erste Liebe eines Teenagers zu einem Studenten seines Vaters bekam laut „Rotten Tomatoes“95 Prozent positive Kritiken. Was ist mit den restlichen fünf Prozent?

GUADAGNINO: Was soll ich sagen? Da kann man nur stolz sein – auch auf das ganze Team, das an dem Film mitgearbei­tet hat.

Wie viel Ihrer eigenen Biografie steckt in dem Film?

Die Geschichte spielt im italienisc­hen Crema, wo ich aufgewachs­en bin. Viele Szenen haben wir sogar in meinem Haus gedreht. Zu dieser ganz persönlich­en Vertrauthe­it kommt hinzu, dass die Bilder dieser Landschaft zwischen Mailand und Bologna meine Kinoerfahr­ung prägten: Antonioni und Bertolucci haben vor dieser Kulisse wunderbare Filme gedreht.

Welche Rolle spielt der jüdische Hintergrun­d dieser Familie?

Der jüdische Hintergrun­d ist im Roman von André Aciman so vorgegeben und hat mir gut gefallen. Denn er zeigt die ganz besondere Verbundenh­eit dieser Familie.

Sie selbst haben eine muslimisch­e Mutter. Wäre der Umgang mit dem schwulen Sohn ähnlich liberal ausgefalle­n wie im Film?

Meine Mutter stammt aus Algerien. Mit 13 Jahren habe ich in Palermo in einem Buchgeschä­ft einen Bildband von Robert Mapplethor­pe gekauft. Obwohl man seine Fotos als homoerotis­ch oder pornografi­sch bezeichnen könnte, lag das Buch ganz offen bei uns zu Hause he-

Alle haben es gesehen, niemand hat sich daran gestört. Man sollte islamische Gesellscha­ften, in denen Misogynie herrscht, nicht mit der Religion gleichsetz­en. Tatsächlic­h ist die moslemisch­e Kultur sehr tolerant und offen. Gerade, wenn es um Mütter und Familien geht.

Im Unterschie­d zum Roman spielt der Film nicht 1988, sondern fünf Jahre früher. Was hat es damit auf sich? Für mich ist das Jahr 1983 sehr wichtig, weil es zumindest in Italien einen Einschnitt markiert: Es bedeutete den Verlust der Unschuld. Die ganze Aufbruchst­immung seit den 68erund den 70er-Jahren mit ihren politische­n Entwürfen war plötzlich vorbei. Ronald Reagan kam an die Macht und mit ihm ein gnadenlose­r Ultra-Neoliberal­ismus. 1983 können wir noch die letzten Augenblick­e eines wunderschö­nen Sonnenunte­rrum.

ganges zeigen. Fünf Jahr später haben die Zeiten schon anders ausgesehen.

Weshalb sind die Rollen mit heterosexu­ellen Schauspiel­ern besetzt?

Sind sie das? Ich bin nicht sicher. Ich frage niemanden nach seiner sexuellen Orientieru­ng, auch meine Schauspiel­er nicht. Ich freue mich immer auf Überraschu­ngen. (Lacht)

Zu den beeindruck­endsten Szenen gehört das Vater-SohnGesprä­ch gegen Ende des Films. Das ist ja auch ein Familienfi­lm. Für mich geht es um die Weitergabe von Wissen in den Generation­en. Mein größter Wunsch wäre, wenn Eltern den Film gemeinsam mit ihren Kindern anschauen würden. Meine ultimative Idee war es, die ArthausVer­sion von einem Disneyfilm zu machen.

 ??  ??
 ?? AP ?? Regisseur Luca Guadagnino: radikal romantisch­e erste Liebe
AP Regisseur Luca Guadagnino: radikal romantisch­e erste Liebe

Newspapers in German

Newspapers from Austria