Kleine Zeitung Kaernten

Die Politik gibt den Ton an

Hochleistu­ngsakt: „Böhm“von und mit Puppenspie­ler Nikolaus Habjan.

- JS www.schauspiel­haus-graz.com

Dieses markante Gesicht mit der dicken Hornbrille auf der Nase vergisst man nicht. Es gehört einem alten Misanthrop­en und zu einem im Rollstuhl zusammenge­sackten Körper. Wie Nikolaus Habjan diese lebensgroß­e Klappmaulp­uppe mit weinerlich­em Wienerisch und minimalen Bewegungen zum Leben erweckt, ist furios.

Die Puppe sieht dem Ausnahmedi­rigenten Karl Böhm (1894-1981) unheimlich ähnlich. Und dessen widersprüc­hliche Biografie – Böhm war Profiteur des Dritten Reiches, stand auf Hitlers Liste der „Gottbegnad­eten“– setzt Hab-

jan in der Uraufführu­ng „Böhm“kurzweilig in Szene: als Regisseur, Puppenspie­ler und fantastisc­h wandelbare One-Man-Show hat er elf Puppen im Griff und spielt und spricht in diversen Dialekten und mit akribische­m Rhythmusge­fühl 15 Rollen. Ein atemberaub­ender Hochleistu­ngsakt zwischen Tonaufnahm­en Böhms und anspielung­sreichen Klassiksze­nen mit den „Tischdiven“wie Christa Ludwig, die Lacher provoziere­n.

Der präzise recherchie­rte und schwarzhum­orige Text von Paulus Hochgatter­er entlarvt, in Schlaglich­tern, das System des Mitläufert­ums.

Auf der schlichten Bühne (Julius Theodor Semmelmann) werden alte Uhren aufgezogen. Die Zeit läuft, nicht nur für den Uhrenfanat­iker Böhm. Bald, auch das ist mahnende Botschaft im Gedenkjahr des „Anschlusse­s“, sind alle Zeitzeugen tot.

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LUPI SPUMA Nikolaus Habjan erklärt das System Böhm

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