„Ein Privileg – kein Naturereignis“
Heftige Reaktionen auf Gastkommentar von Prof. Dieter Pohl über feministisch korrekte Ausdrucksweise.
Die Sicht- und Hörbarmachung von Frauen in der (deutschen) Sprache ist wichtig, denn Sprache ist eines der Schlüsselwerkzeuge für gesellschaftliche Veränderung. Sprache kann im besten Fall Machtund Geschlechterverhältnisse beeinflussen, neue Gedankenmuster entwickeln und die Mentalität einer Kultur und ihrer Identität bestimmen. Sprache ist kein stabiles Element, sondern war und ist flexibel und gesellschaftlich veränderbar. Dafür kämpfen FeministInnen, ohne sich von zahlreichen Anfeindungen, KritikerInnen und Experten einschüchtern zu lassen.
Sprache ist Macht. Denn werden wir gebeten, an den Bürgermeister der Stadt XY zu denken, werden wir diesen nicht kennen. Wohl aber werden wir alle einen Mann mittleren Alters vor unserem geistigen Auge aufblitzen lassen. Der Prototyp Mensch ist männlich, weiß, zirka 1,85 Meter groß und zwischen 40 und 50 Jahre alt.
Der Anspruch der Sprachwissenschaft, dass wir „der Doktor“sagen und eine Frau meinen, ist frauenfeindlich. Speziell jüngere, aber auch viele ältere Frauen wollen nicht mehr „mit gemeint“sein sondern bestehen darauf, ausdrücklich benannt zu werden.
Wenn Frauen in der Sprache gleichermaßen präsent sind wie Männer, sind sie es auch in der Wirklichkeit. Die Standardverwendung des männlichen Sprachgebrauchs als neutral zu definieren hält keiner kritischen, wissenschaftlichen und menschenfreundlichen Betrachtung stand. Sie ist ein künstlich geschaffenes Privileg, kein Naturereignis.
Sprache ist veränderbar. Sprache muss sich und wird sich ändern. Je selbstverständlicher es wird, dass Menschen gleich viel wert sind, desto deutlicher.
Nicht der Untergang
Ein deutscher Gerichtshof hat gegen die Kund-in entschieden, weil nur der Kund-e richtig sei, und erhält Applaus von linguistischer Seite, verbunden mit der Hoffnung, dass der feministische Unfug nun seinem Ende entgegengehe. Dass „MitgliederInnen“grammatikalisch falsch ist, ist richtig. Dass frauenspezifische Zeichen in der amtlichen Sprache keine Berücksichtigung fänden, ist falsch. Dass der Autor die Verwendung der weiblichen Endung „in“mit einem Krebsgeschwür vergleicht, ist – schrecklich. Lassen wir doch die Kirche im Dorf! Kundinnen und Beamtinnen sind nicht der Untergang des Abendlandes – und auch kein Krebsgeschwür.
Holpriges Gestolper
Herzlichen Dank für diesen schon längst fälligen Kommentar aus einem berufenen Munde! Diese angeblich gendergerechte Ausdrucksweise in Schrift und Wort – gegen alle Regeln der Grammatik – hat sich ja unverständlicherweise immer mehr ausgebreitet und zu schwachsinnigen Wortkonstrukten geführt. Das Ergebnis war dann oft ein holpriges Gestolper – kaum flüssig sprechund lesbar. Es war höchste Zeit, dass sich da ein Fachmann zu Wort gemeldet hat!
Krumpendorf