Der schmale Grat zwischen Religion und Politik
Kaum zu glauben: Im malerischen Kärnten treffen sich jedes Jahr Tausende von Alt- und Neonazis. Laut Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes handelt es sich gar um das größte Treffen in Europa. Gemeint sind Kroaten, die am Loibacher Feld nahe Bleiburg der Gefallenen des Zweiten Weltkrieges gedenken. Dort mussten nach Kriegsende 1945 Angehörige der kroatischen Armee und der Ustascha-Miliz umkehren, und beim Rückmarsch Richtung Süden wurden Tausende der Verbündeten HitlerDeutschlands ermordet. Die genaue Zahl ist strittig, seriöse Schätzung sprechen von 30.000 bis 50.000 Opfern. Auf den ersten Blick hat die Sache mit Österreich heute nicht viel zu tun. Doch Bleiburg entwickelte sich zu einem Teil des kroatischen Geschichtsmythos und die Veranstaltung von einem Totengedenken zu einer rechtsextremen und faschistischen Kundgebung. Viele tragen dabei in Kroatien verbotene Embleme und grölen Faschistengrüße aus den 1990er-Jahren. Selbst Hitlergruß und Hakenkreuz wurden in den letzten Jahren immer wieder gesehen und vereinzelt angezeigt. Dennoch findet sich auch heuer keine rechtliche Grundlage, dem Treiben Einhalt zu gebieten. Veranstaltet von der katholischen Kirche Kroatiens mit Genehmigung des Kärntner Bischofs auf privatem Grund, unterliegt die Feier nicht dem Kärntner Veranstaltungsgesetz. Die Organisatoren genießen den Schutz der Versammlungsfreiheit, obwohl die Grenze zwischen religiös und politisch deutlich überschritten wird.
E s mag als eine Tücke des Rechtsstaats erscheinen, dass ohne Gesetz eine Veranstaltung nicht verboten werden kann. Doch Willkür von Behörden darf es nicht geben, auch wenn die Gesetzeslücke in diesem Fall die Falschen schützt. Aktiv werden muss daher der Bundesgesetzgeber. Einen Anfang könnten ÖVP und FPÖ machen, indem sie etwa das Tragen von kroatischen, faschistischen Abzeichen auch bei uns verbieten. Beim Kopftuch hat die Bundesregierung nicht so lange gezögert. Das Treffen in Loibach sollte aber auch uns mahnen, dass Religion nicht nur von islamistischen Gruppierungen zu politischen Zwecken missbraucht wird.
„Beim Kopftuch hat die Bundesregierung nicht so langegezögertwie beim Verbot kroatischer, faschistischer Abzeichen.“